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Leben - Villach
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Julia aus Villach

Leserbrief: GTI am Dobratsch

Villach – Die Villacherin Julia sendete uns gestern, am 22. Mai, einen Leserbrief zum Thema GTIs im Naturpark Dobratsch zu. In Zeiten der Klimakrise sieht sie durch die GTIs eine Bedrohung unserer Lebensqualität sowie eine Chance, klar zum Klimawandel Stellung zu beziehen. Ihre Gedanken wollen wir euch natürlich nicht vorenthalten:

 12 Minuten Lesezeit (1480 Wörter)

Ich beschäftige mich seit Jahren mit den Auswirkungen des Klimawandels sowie mit den notwendigen Anpassungen, um diesen Planeten in 50-70 Jahren überhaupt noch bewohnen zu können. Das nimmt mich teilweise sehr mit, weil mir die Maßnahmen für eine emissionsfreie Lebensweise bewusst sind, ich jedoch auf politischer und gesellschaftlicher Ebene nur kosmetische Korrekturen und minimale Zugeständnisse beobachte. Um nicht in eine tiefe Frustration oder auch Eco-Anxiety zu verfallen, engagiere ich mich deshalb in vielen Projekten, welche alle das Ziel der öko-sozialen Transformation verfolgen und besuche auch Veranstaltungen und Vorträge zu diesem Thema in Universitäten oder anderen Einrichtungen. Desweiteren habe ich meinen eigenen Lebensstil in den letzten Jahren drastisch umgestellt, um als positives Beispiel vorangehen zu können: Unter anderem fahre ich nur noch mit dem Fahrrad und Zug, esse so gut wie kein Fleisch mehr und versuche mich seit letztem Jahr an der Gestaltung und Betreuung unseres Gemüsegartens. Dieser Garten hilft mir, meine fast abhanden gekommene Verbindung mit der Natur wieder aufzubauen und meine seelische Stabilität zu festigen, die wir alle in der nächsten Zeit brauchen werden.

Dröhnen der Motoren schallt auf Wohngebiet

Umso härter trifft mich auch das andauernde Dröhnen der beschleunigenden Motoren, welches vom Dobratsch auf unser Wohngebiet herunterschallt. An sonnigen Tagen gibt es wortwörtlich fast keine ruhige Minute, in der nicht mindestens einmal das Aufheulen eines Motors zu hören ist. Da ich ziemlich nahe an der Auffahrt zur Alpenstraße wohne, höre ich jedes einzelne getunte Auto, das auf diesen Berg hinauf beschleunigt. Öfters sind es auch Gruppen von Autos, die sich dann ca. ab der ersten Kehre auch kleine Rennen liefern oder stolz demonstrieren, wie hoch sie ihren Motor – samt Fehlzündungen – noch treiben können. So richtig aufgefallen ist mir das heuer erst letzten Freitag, den 17.5., als ich im Garten arbeitete und Pflänzchen setzen wollte: Kurz nach 11 Uhr stand ich vor dem Mistbeet und begutachtete meine Pflänzchen, als eine Gruppe aus 3-4 Autos unüberhörbar von der Umfahrung nach Möltschach einbog. Schon ab der ersten Steigung überboten sie sich in ihren Drehungen, immer wieder blitzten ihre Autos zwischen den Bäumen auf, bevor derbe Quietschgeräusche und böllerähnliche Fehlzündungen zu vernehmen waren. Ich stand mittlerweile geschockt und unter Tränen in meinem Garten, die Hände auf meine Schläfen gelegt und mir jagten tausend Gedanken durch den Kopf, die ich Ihnen im weiteren Verlauf dieser Email erläutern werde. Seitdem sind die Motorengeräusche ein täglicher Begleiter und für mich ein demonstratives Zeichen für das nahende Ende unserer Zivilisation, wie wir sie kennen (“It’s the end of our civilization, as we know it.” – Greta Thunberg). Ich möchte noch kurz anmerken, dass es mir sehr wichtig ist, Ihnen meine Gefühle und Eindrücke zu schildern, da genau diese Eindrücke meine Lebensqualität – und auch die von vielen weiteren Anrainern sowie auch Haus- und Wildtieren – entscheidend beeinträchtigen, wie auch die Kommentare auf Facebook zu den Artikel bestätigen. Die Schilderungen auf Social Media haben mir einen noch größeren Überblick über das Ausmaß der Umweltverschmutzung am Dobratsch gegeben.

Bestandteile der Treibstoffe mehr als besorgniserregend

Wenn ich die heulenden Motoren der getunten Autos höre, denke ich an all die Umweltverschmutzung, die der Tritt ins Gaspedal hervorruft. Gerade bei der Bergauf-Beschleunigung muss der Motor weit mehr Treibstoff aufwenden, um die gleiche Leistung zu erzielen, wie wenn er auf der Ebene beschleunigen würde. Diese verschiedenen Bestandteile des Treibstoffs, die nach dem Verbrennungsvorgang des Motors in unsere Luft abgegeben werden, sind mehr als besorgniserregend und überschreiten immer wieder neue Grenzwerte, wie auch vielfach von der Wissenschaft analysiert. Mit der Beschleunigung einher geht auch der Reifenabrieb, der sich physikalisch gedacht proportional mit der Höhe der Krafteinwirkung steigert und so Plastikpartikel auf die Straße (durch Beschleunigung, Bremsen und die Kurvenlage bzw. Driften) bringt, welche durch Regen oder Wind in das Gebiet das Naturparks verteilt werden. Viele der Tuning-Begeisterten treffen sich nur deshalb am Berg, um dort auf den Parkplätzen zu driften oder sich gegenseitig ihre Autos vorzuführen und Fotos zu machen. Dabei lassen sie oft auch viel Müll zurück und behandeln die Natur sowie auch herkömmliche Touristen und Familien, die sich am Dobratsch aufhalten, oft ohne jeglichen Respekt. Oftmals wurde die Polizei eingeschalten, welche sich aber im Fall der Alpenstraße aufgrund der Unübersichtlichkeit und der Enge mit erfolgreichen Geschwindigkeitsmessungen schwer tut. An jeder unbeobachteten Ecke reizen viele Raser die Grenzen der Straßen aus und gefährden somit sich und andere. Die von der Stadt und dem Naturpark ausgegebenen Verhaltensrichtlinien werden missachtet, auch die Hinweise der Mautstelle gekonnt ignoriert. Zurzeit gilt zwar das Nachtfahrverbot für den Dobratsch sogar ab 21.30 Uhr, aber das hindert die Raser trotzdem nicht daran, einfach am Tag auf den Berg zu brettern.
Bei all diesen Überlegungen wurde dabei noch gar nicht mal der ausschlaggebende Faktor eruiert, der die meisten Anrainer erst dazu bringt, sich über die Autos am Dobratsch aufzuregen: die hohe Lärmbelastung. Durch die überdrehenden Motoren werden einerseits Wildtiere verschreckt (das Schneehuhn ist lt. Naturpark deshalb schon geflüchtet) oder in lebensgefährliche Situationen gedrängt, andererseits erlaubt die Geräuschkulisse den meisten Villacherinnen und Villachern während der GTI-Zeit sowie auch während der Harley-Zeit im September wenig bis gar keine Entspannung. Die ständige Beschallung mit übertriebenen Auspuffsystemen und Fehlzündungen führt es uns nur wieder sehr klar vor Augen, auf welcher verkehrten Welt wir eigentlich leben und wie knapp die Menschheit schon dabei ist, sich selbst zu vernichten. Die Einen geben Vollgas während die Anderen auf der Suche nach Alternativen sind.

Berg als Ralley-Teststrecke

Den Kult um die alten VW-Modelle will ich ja gar keinem absprechen, und kann auch gut nachvollziehen, dass sie so wie die Harleys eine gewisse Anziehungskraft haben. Was ich jedoch nicht verstehen kann ist, wie man den Berg als Ralley- und Teststrecke missbrauchen kann und warum die Stadt dies zulässt, obwohl es etliche – teilweise schon jahrelang erklingende – Stimmen gibt, die sich für eine Eindämmung dieses Raser-Problems im Naturpark Dobratsch aussprechen und die Politik zum Handeln auffordern! Warum wirbt die Stadt einerseits mit der unberührten Natur des „Naturparks Dobratsch“, wenn sie auf der anderen Seite die Schritte hinauszögert, welche den Naturpark vor solchen unnötigen und egoistischen Verschmutzungen schützen würde? Die Raser bringen gewissen Geschäftsleuten ohne viel Aufwand in einer kurzen Zeit hohe Gewinne – die meisten Anderen müssen sich aber einfach mit der erhöhten Gefahr auf den Straßen und mit dem ständigen Lärmpegel und auch den Staus abfinden. Das massive Aufgebot an getunten Autos zieht immer mehr solcher Autos mittlerweile von den verschiedensten Marken an – manche transportieren ihr Vorzeigestück sogar auf einem Anhänger nach Kärnten, um hier dann damit Vollgas zu geben. Dass das zusätzliche Polizeiaufgebot mit Unterstützung aus anderen Bundesländern dem Land viel Geld kostet und dabei nicht wirklich zur Eindämmung des Problems beiträgt, sondern es höchstens durch Geschwindigkeitsmessungen und Fahrzeugkontrollen nicht noch schlimmer werden lässt, wird dabei meist außer Acht gelassen. Ich kann mir vorstellen, dass die Polizei in dieser Zeit alle Hände voll zu tun hat. Danke an dieser Stelle allen Beamten, die sicherlich ihr Bestes versuchen.

Villach künftig mit Folgen und Herausforderungen konfrontiert

Jedoch hat auch die Stadt und die umliegenden Gemeinden viel zu tun – ihnen steht die Anpassung an den Klimawandel bevor. Kärnten hat sogar fünf Klimawandel-Anpassungeregionen, die sich explizit dafür ausgesprochen haben, aktiv nach Lösungen zu suchen und die Anpassung voranzutreiben. Villach ist übrigens (noch) nicht vertreten, schmückt sich aber gerne mit szenetypischen Begriffen. Dennoch sehe ich auch Villach mit zukünftigen Folgen und Herausforderungen konfrontiert, wie zum Beispiel das Fehlen von Schneefall im Winter und die Umstellung des Wintertourismus, wo durch das Einstellen des Liftbetriebs am Dobratsch vor Jahren schon erste Schritte gesetzt und Erfahrungen gemacht wurden. Das CCCA (Climate Change Centre Austria) schlägt u.a. auch einen erheblichen Ausbau sowie eine Gebührenbefreiung von öffentlichen Verkehrsmitteln für den Erhalt des Tourismus vor, was von Alpenverein und Postbus teilweise schon angefangen wurde, aber noch zu wenig attraktiv und ausreichend getaktet ist, um breites Interesse bei der Bevölkerung und den Touristen zu wecken. Vor allem aber sehe ich das jahrelange Bestreben vieler verschiedener Gruppen zum Schutz des Hausbergs Dobratsch als deutliches Zeichen dafür, dass sich die Stadt mit allen Beteiligten gemeinsam zu überlegen hat, wie der Berg in Zukunft genutzt und bewirtschaftet werden soll, mit dem Fokus auf bevorstehende klimatische Veränderungen und Zunahmen von extremen Wetterereignissen anstatt von wirtschaftlichen Interessen. Es geht um unsere Lebensqualität und um die zukünftige politische sowie gesellschaftliche Prioritätensetzung, die jetzt starten muss.

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