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Leben - Kärnten
Mitch ist Transgender und hat sich für ein Leben als Mann entschieden.
Mitch ist Transgender und hat sich für ein Leben als Mann entschieden. © KK

Transidentität im Fokus

,,Ich war früher ein Mädchen”: Gefangen im eigenen Körper

Kärnten – Wie ist es, wenn man sich falsch in seinem Körper fühlt? Niemand scheint einem zu glauben. Man fühlt sich allein gelassen, von der Gesellschaft, von Freunden und sogar von der eigenen Familie. Mitch Noah M. kennt dieses Gefühl. Als Junge geboren im Körper eines Mädchens, musste er einen Weg durch diesen Dschungel der Gefühle finden. Wie er das geschafft hat und wie er heute lebt, erzählt er uns, um auch anderen Mut zu machen und ihnen vielleicht ein bisschen Hoffnung schenken zu können.

 7 Minuten Lesezeit (850 Wörter) | Änderung am 03.02.2020 - 21.52 Uhr

Geboren wurde Michelle Nadine M. (heute Mitch Noah M.) als Mädchen. Schon als Kind war sie eher burschikos in Verhalten und Geschmack. Sie zog sich gern wie ein Junge an und bei Rollenspielen im Kindergarten wollte sie immer der Vater, der Bruder, der Sohn oder einfach der Junge sein. In der Volksschule und im Gymnasium wurde dann aber der gesellschaftliche Drang stärker, sich der Rolle des typischen ,,Mädchens‘‘ anzupassen. Sie trug kurze Hosen und Kleider, versuchte sich zu schminken und an ,,Mädchengesprächen‘‘ teilzunehmen.

Neue Schule, neues Leben?

,,Als ich die Schule nach dem vierten Gymnasium wechselte, nutzte ich die Gelegenheit und probierte mich selbst zu finden. Ein anderes Umfeld hat mir wirklich gut getan‘‘, verrät uns der heute 19-jährige Mitch. Im Alter von 16 Jahren schnitt die damalige Michelle sich die Haare ab, obwohl ihre Eltern eher dagegen waren. Auch die Kleider die sie sich in der Männerabteilung kaufte, wurden aus ihrem Schrank verbannt.

,,Meine Klasse und eine gute Freundin haben mir in dieser Zeit sehr geholfen. Ich wusste schon immer, dass etwas mit mir nicht stimmt, aber ich hatte bis dahin weder das nötige Selbstvertrauen noch das stabile Umfeld, um es zu zeigen“, meint Mitch in einem Interview mit 5 Minuten. Die damalige Michelle war hin und her gerissen zwischen ihren Gefühlen im Inneren und die Erwartungen, die von außen auf sie einströmten.

Hilfe von Freunden und der Schule

Nach und nach schaffte sie es sich zu akzeptieren und ,,outete‘‘ sich mit 17 Jahren vor Freunden. Mit Hilfe einer guten Freundin, schaffte sie es auch ihre Situation ihrer Klasse zu erklären. Aus Michelle wurde so schon mal inoffiziell ,,Mitch‘‘ mit dem Pronomen ,,er‘‘. Die Lehrer reagierten sehr verständnisvoll und so durfte Mitch sogar seine Diplomarbeit über das Thema ,,Transidentiät“ schreiben. Er gelangte dadurch zu neuen Kontakten und sogar zu einer Selbsthilfegruppe. Auch dort traf er auf Halt und Unterstützung.

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Mitch beginnt langsam sich zu akzeptieren.

Mitch beginnt langsam sich zu akzeptieren. - © KK

Wenig Unterstützung von Eltern und Gesellschaft

Seinen Eltern fiel es sehr schwer die Veränderungen und die Entscheidungen ihres Kindes zu akzeptieren. Alle Kosten, die anfielen, musste er selbst übernehmen. ,,Schlimmer als das Geld, war das Gefühl, dass die eigenen Eltern einen nicht akzeptieren. Ich war sogar teilweise lieber in der Schule als zu Hause, aber hey wie viele Jugendliche können so etwas von sich behaupten‘‘, erzählt er und lacht dabei traurig.

Auch die Gesellschaft machte es Mitch schwer. ,,Wenn ich auf die Herrentoilette ging, wurde ich komisch angeschaut. Als ich dann weiter auf die Damentoilette ging, wurde ich sogar einmal hinausgeworfen von einer Putzkraft, mitten in einem bekannten Einkaufszentrum in Klagenfurt‘‘ schildert er seine Situation.

Die Verwandlung ist nicht umsonst

Im Feber 2019, schaffte es Mitch seinen offiziellen Personenstand von ,,Frau‘‘, in ,,Mann‘‘ zu ändern. Doch diesem Erfolg gingen einige Strapazen voraus. Unzählige Therapien und Gutachten waren dafür nötig. Doch jede Therapie, jedes Gutachten, jede Rezeptgebühr und jedes Gespräch mit einem Arzt kosteten Geld. Das muss man erst mal bezahlen als Schüler. Auch die Namensänderung von Michelle in Mitch war nicht gerade umsonst.

In Österreich werden die Therapiestunden zwar von der Krankenkasse bezahlt, aber nicht zu 100% abgedeckt werden. Außerdem gilt das nur für unter 18-Jährige. Auch die Hormontherapie wird übernommen, wobei die Rezeptgebühr immer noch selbst zu bezahlen ist. Die Operation für die Mastektomie, also die brustangleichende Operation wird übernommen, jedoch nicht die vorangegangenen Gespräche mit dem Arzt.

Alles verändert sich…

,,Im Juni 2019 habe ich, wieder mit Hilfe von Freunden, endlich meine Hormontherapie begonnen. Die Veränderungen waren echt erstaunlich und haben mich sehr überrascht, aber seht selbst‘‘, erzählt er uns stolz. Die Veränderungen der Stimme unter Einfluss von Testosteron, kannst du hier im Video selbst sehen. Zuerst nach einem Tag, dann 2 Monaten, dann 3 Monaten und dann nach einem halben Jahr.

,,Bleib immer bei dir selbst und den Leuten die dich lieben”

Im Oktober 2019 startete mit der Universität, auch ein Neuanfang für Mitch. Auch seine Eltern begannen ihn zu akzeptieren. Jetzt, im Feber 2020, kann er auch die Mastektomie machen. Die Hysterektomie, jene Operation bei der die Gebärmutter entfernt wird, ist für 2021 geplant.

,,Es ist wichtig, immer bei sich selbst zu bleiben, auch wenn es viele negative Reaktionen von außen gibt. Man sollte sich mit Leuten umgeben, die einen lieben und akzeptieren wie man ist, egal ob man sich verändert“, möchte er anderen Betroffenen mit auf den Weg geben. Für uns ist er aufgrund seines Mutes und seines Durchhaltevermögens jetzt schon ein Held!