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Wirtschaft - Klagenfurt
Hintergrund
© Bettina Nikolic

Ein Millionenbetrug

Lagerhaus-Skandal: Von Brillanten auf Schieß­prügeln & erfundener Leukämie…

Klagenfurt – Einvernahmeprotokolle geben neue Einblicke in die mutmaßliche Millionenveruntreuung beim Lagerhaus Klagenfurt. Hauptbeschuldigter kaufte und verschenkte zwei Mercedes. Und ließ seine Jagdwaffe offenbar mit Hochkarätern aufpolieren.

 9 Minuten Lesezeit (1080 Wörter) | Änderung am 26.11.2020 - 09.19 Uhr

Von Franz Miklautz. Es geht vor allem um zwei Personen. Gerd R.* und Sascha U.*. Der Erste, ein geborener Klagenfurter, zwischenzeitig aber in Wien als Baumeister tätig. Der Zweite ist – beziehungsweise war – Mitarbeiter der Baustoffsparte bei der Lagerhaus WHG in Klagenfurt. Ihm wurde mittlerweile gekündigt. Der Verdacht: Beide Männer sollen über Scheinrechnungen in Betrugshandlungen zu Lasten des Agrarriesen verstrickt sein. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung. Vorweg: Dem Lagerhaus soll dabei laut eigenem Revisionsbericht ein Schaden von zumindest 4,7 Millionen Euro entstanden sein. Und dazu kam es so.

Scheinrechnungen

Lagerhaus-Mitarbeiter U. hatte Baumeister R. im Dezember 2016 beim Weihnachtsshopping in der Klagenfurter Innenstadt getroffen. Man kannte einander von früher, eher lose, aber doch. U. ist von der mondänen Lebensweise des Baumeisters beeindruckt, unter anderem findet er Gefallen an seinem prestigeträchtigen Wagen: einem Porsche Cayenne. R. gibt an, Baumeister bei einer großen Wiener Baufirma zu sein und über große Baustellen in der Bundeshauptstadt zu bestimmen. Daraufhin wittert der Lagerhaus-Mitarbeiter seine Chance. Immerhin ist er Mitverantwortlicher für die Baustoffsparte beim Agrarriesen. Es entspinnt sich eine geschäftliche Zusammenarbeit. In deren Folge das Lagerhaus die Baustellen des Baumeisters in Wien mit Baumaterialien beliefert. Nur dass die Baustoffe dort nicht immer ankommen. Sondern offenbar auf privaten Baustellen des Baumeisters zum Einsatz gelangen. Obwohl sie von R.´s Arbeitgeber, der großen Wiener Baufirma, bezahlt worden sein sollen. Dass die Sache nicht auffliegt, dafür soll mutmaßlich Lagerhaus-Mitarbeiter U. gesorgt haben.

Aus Ferlach: Schießprügel mit Brillanten drauf

Eine dieser „privaten Baustellen“ von R. dürfte in der Büchsenmacherstadt Ferlach gewesen sein. In einem Einvernahmeprotokoll, es liegt 5 Minuten vor, gibt R. an, dass ein befreundeter Ferlacher Waffenmeister seine Wohnung umgebaut habe und ihn, Baumeister R., um Hilfe bei der Umsetzung bat. Die Gegenleistung dafür war offenbar explosiv: R. sollte für seine bauliche Unterstützung „zwei Jagdwaffen“ erhalten. Er gibt zu Protokoll, die Baumaterialien für den Umbau – etwa Fenster und eine Haustür – über U. beim Lagerhaus bestellt zu haben. Die Rechnung dafür sollte aber offenbar so ausgestellt werden, dass sie auf die Wiener Baustellen seines dortigen Arbeitgebers passten. Denn der sollte die Rechnung bezahlen. Dabei soll Lagerhaus-Mitarbeiter U. beim Rechnungstext etwas „nachgeholfen“ haben. U.´s Anwalt Bernd Peck sagt, sein Mandant sei vom Baumeister unter Druck gesetzt worden. Hätte U. nicht mitgespielt, hätte R. die ausständigen Rechnungen nicht mehr bezahlt. Als Replik darauf sagte Wolfgang Blaschitz vor einigen Wochen – er ist der Anwalt des Baumeisters: „Das ist Schwachsinn.“ Sein Klient hätte U. gar nicht unter Druck setzen können, da die Malversation offenbar gemeinsame Sache gewesen sei. Blaschitz ist zwischenzeitig unerwartet verstorben. Jedenfalls erhielt der Baumeister laut Einvernahme tatsächlich die beiden Jagdwaffen. Offenbar hochkarätig veredelt: „Die Brillanten auf der einen Waffe wurden von mir zur Verfügung gestellt.“ Montiert habe die Klunker der Waffenmeister, gibt R. an. „Über den Wert der Waffen kann ich keine Angaben machen“, sagt R. im Bericht. Jedenfalls dürfte dies ein weiteres Indiz dafür sein, dass der Baumeister einem luxuriösen Leben nicht ganz abgeneigt war. 

Zwei Mercedes zu verschenken

Geiz gehörte offenbar nicht zu den Tugenden des Baumeisters, denn einige Personen aus seinem Umfeld dürften vom Leben auf der monetären Überholspur profitiert haben. Im Frühjahr 2019 kaufte er laut eigenen Angaben ein Einfamilienhaus für sich und seine Gattin. Kostenpunkt: 750.000 Euro. Finanziert über einen Kredit. Seiner Tochter und seiner Ex-Gattin hatte er zuvor je einen Mercedes gekauft. Die beiden Autos sollen 80.000 Euro gekostet haben. Seinen Schuldenstand gab der Baumeister mit 800.000 bis eine Million Euro an. Das Geld aus seinen Geschäften gab er – neben den Autos und dem Haus – für „luxuriöse Privateinkäufe, Aufkommen für meinen Lebensunterhalt“ und „Schwarzgeldauszahlungen“ an Lagerhaus-Mitarbeiter U. „in der Höhe von ca. € 370.000,–“ aus. Dessen Anwalt bestreitet den Erhalt solcher Zahlungen strikt. 

Erfundene Leukämie und ein Darlehen über 200.000 Euro

In der Zeit bevor es zur Geschäftsbeziehung zwischen seinem Wiener Arbeitgeber und dem Lagerhaus kam, arbeitet der Baumeister noch für ein anderes Bauunternehmen. Doch dieses möchte er verlassen – um in Folge eben bei der großen Wiener Baufirma anfangen zu können, die ihm ein Angebot gemacht hat. Doch es gibt ein Hindernis: Die Kündigungsfrist von drei Monaten. Um diese zu umgehen, „kam mir die Idee eine Krankheit zu erfinden bzw. vorzutäuschen um zu einer einvernehmlichen sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses […] zu gelangen. Ich behauptete also Leukämie zu haben und kam so zur gewünschten Auflösung des Arbeitsverhältnisses“, so der Baumeister bei seiner Einvernahme.

 

Nur: Er blieb offenbar auch beim folgenden Arbeitgeber dabei, krank zu sein. „Auch erfand ich immer wieder angebliche Reisen in eine Privatklinik in der Schweiz zur Behandlung der Leukämie.“ Der Geschäftsführer der Wiener Baufirma sagte in seiner Zeugenvernehmung aus, „unsere Firma hat ihm (R.; Anm.) im Jahr 2017 ein Privatdarlehen gewährt“. Dies, weil R. angegeben hätte, „dass er Leukämie hätte und deswegen laufend in der (sic!) Schweiz zur Behandlung müsse“. Der Baumeister hätte nämlich angegeben, „dass er endlich einen ,Spender’ (gemeint offenbar: Knochenmarkspender; Anm.) gefunden hätte, durch dessen Spende er seine Krebserkrankung besiegen könne, er dafür aber € 200.000,- zu bezahlen hätte“. Einen Zusammenhang zwischen der angeblichen Krebserkrankung und dem 200.000-Euro-Darlehen bestreitet der Baumeister jedoch in den Unterlagen.

Falscher Baumeistertitel

Was der „Baumeister“ jedoch nicht bestreitet, ist, dass er den Titel „Baumeister“ zu Unrecht führt:„Diese Berufsbezeichnung wurde mir im Jahre 2004 wieder aberkannt.“ Offenbar hatte R. zwar die Prüfung zum Baumeister absolviert, „die Zulassung dafür aber durch die Vorlage eines gefälschten Maturazeugnisses erschlichen“.

Die Lagerhaus WHG gibt mit Hinweis auf das laufende Verfahren keine Stellungnahme ab. Dass die Causa noch größere Kreise ziehen könnte, scheint vorprogrammiert: Letzten Informationen zufolge soll der Beschuldigtenkreis auf rund ein Dutzend Personen ausgedehnt worden sein. Auch Lagerhaus-Mitarbeiter U. wird des Betrugs verdächtigt. Bonmot am Rande: Der erhielt in der Zeit, in der der mutmaßliche Betrug stattfand, mehrere Tausend Euro an Prämien zugesprochen. Mit persönlicher Widmung des Vorgesetzten: „Danke super Einsatz und Loyalität“. 

* Namen von der Redaktion geändert.

Der Autor

Der Klagenfurter Franz Miklautz ist als Investigativjournalist tätig. Unter anderem betreibt er die Plattform mediapartizan.at, auf der er regelmäßig Missstände aufdeckt. Er war nominiert für den Literaturpreis Wartholz VII und ist Gewinner des “Erostepost”-Literaturpreises 2014.