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Leben - Villach
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Distance Learning, Unsicherheit und Verzweiflung

Hilferuf einer Maturantin: “Wie sollen wir das alles nur schaffen?”

Villach – Die 18-jährige Nina Elisa Steiner wird heuer an der Kärntner Tourismusschule maturieren. Der Weg dorthin erweist sich aufgrund der Corona-Maßnahmen jedoch als äußerst schwierig. Distance Learning, Unsicherheit und große Bildungslücken - Ihre Gedanken zu der aktuellen Situation hat die Schülerin in einer Rede niedergeschrieben.

 8 Minuten Lesezeit (1056 Wörter) | Änderung am 27.01.2021 - 20.09 Uhr

Vor ein paar Tagen verfasste die angehende Maturantin Nina Elisa Steiner eine Rede über den Lockdown und die Matura im Frühjahr 2021. “Aus Sicht der Schüler – nicht der Politiker”, erzählt sie 18-Jährige. Viele Schüler scheinen die Gedanken von Nina zu teilen. Ihr Schreiben bekommt in den Sozialen Medien bereits sehr viel Zuspruch.

Leserbrief: „Ich kenne die Wochentage nicht mehr,…

…merke nicht, wie die Zeit vergeht. Alles zieht blitzschnell an mir vorbei und gleichzeitig so langsam, dass man es fast greifen könnte.“ Ein Zitat aus dem von Ernst Schmiederer geschriebenen Buch „Lockdown – Berichte aus dem Hausarrest“, mit welchen sich wahrscheinlich ein Großteil der Schüler*innen in ganz Österreich identifizieren kann. Aber schränkt uns der Lockdown und die damit verbundenen Maßnahmen, sowie die Schließung der Schulen wirklich so sehr ein, dass wir sogar das Zeitgefühl für Jegliches verlieren?

Meiner Meinung nach geht es dabei um viel mehr als nur um das Verlieren unseres Zeitgefühls. Es geht um Motivationsverlust, Angstzustände – ausgelöst durch die Unsicherheit und Unklarheit – die das Virus mit sich bringt und Depressionen. Wie sich all diese Emotionen im Distance Learning bemerkbar machen, uns einschränken und inwiefern man uns – Absolvent*innen des Jahrgangs 2020/21 – eine herkömmliche Matura zutrauen kann, will ich Ihnen anhand meiner Meinungsrede (auch eine maturarelevante Textsorte, die wir beherrschen sollten) nahebringen.

“All unsere Pläne wurden übereinander geworfen”

Beginnen wir zunächst beim Online-Unterricht. Genauso wie viele andere Schüler freute auch ich mich auf einen Unterricht von Zuhause aus, als der erste Lockdown im Frühjahr 2020 ausgesprochen wurde. Nicht mehr jeden Tag um sechs Uhr morgens aufstehen, den ganzen Tag im Schulgebäude sitzen und danach bis spät in die Nacht an diversen Aufgaben arbeiten oder für Tests lernen. Hört sich sehr unbeschwert an, nicht wahr? Aber auf einen fast schon üblichen Sommer, folgte dann im Herbst
2020 der zweite und nicht letzte Lockdown.

Ich denke spätestens zu diesem Zeitpunkt, begannen wir Schüler*innen die negativen Auswirkungen der Schulschließung zu spüren. Sei es das bestrebende Verlangen nach persönlichen Kontakten zu Mitschüler*innen, die immer weiter abnehmende Motivation, gute Noten zu erzielen oder die Angst, den Schulabschluss nicht so gut oder gar nicht zu bestehen. Alles führt dazu, dass wir uns im Distance Learning nicht nur distanziert von unseren Lehrern, Freunden oder der Materie fühlen, sondern auch zu uns selbst. Wie können wir wichtige Entscheidung für unsere Zukunft treffen, wenn nicht einmal der Weg dorthin garantiert ist? All unsere Pläne und Vorstellungen wurden übereinander geworfen und gefühlt jeden Monat neu und anders aufgestellt.

Bildungslücken, Unsicherheit und psychische Belastung

Die psychische Belastung, die sich dadurch ergibt, darf und soll bei den Maßnahmen der Matura im Mai 2021 berücksichtigt werden. Die Unsicherheit, welche sich bei Lehrer*innen und Schüler*innen bemerkbar macht, fließt zweifellos in unser Verhalten und unsere Leistung im Distance Learning ein. Auch wenn die Technik so weit fortgeschritten ist, dass das theoretische Unterrichten nicht schwerfällt, darf man nicht vergessen, dass das Umsetzen in der Praxis, vor allem in Fächern wie Mathematik und Rechnungswesen, ohne physischer Anwesenheit von Lehrern in den meisten Fällen für alle Schüler unmöglich erscheint. Was uns zum nächsten meiner Anliegen führt. Wie können wir nach fast sechs Monaten im Online-Unterricht eine herkömmliche Zentralmatura positiv ablegen? Für mich liegt eine klare Antwort vor, wir können es nicht. In den Abschlussklassen wird zwar überwiegend „nur“ wiederholt und kein neuer Stoff in Angriff genommen, trotzdem erleiden wir durch den fehlenden Präsenzunterricht eine große Bildungslücke, welche sich bereits im Frühjahr 2020 bemerkbar machte. Jeder von Ihnen weiß, was einmal gelernt wurde ist nicht vergessen, allerdings sehr tief vergraben. Das übliche Abschlussjahr sollte uns helfen, unser Wissen wieder aus den Reserven zu holen. Stattdessen müssen wir selber daran arbeiten, uns den Stoff der letzten vier Jahre selbst beizubringen und stellen uns Tag für Tag neue Fragen, die uns niemand beantworten kann.

“Herkömmliche Matura abzulegen scheint unmöglich”

Dann zu verlangen, eine herkömmliche Zentralmatura abzulegen, scheint für mich und alle Maturanten*innen des Jahrgangs 2020/21 unmöglich. Maßnahmen wie die Kürzung der Themengebiete oder der Einfluss unserer Zeugnisnote, sind gute Ansätze, aber bei weitem nicht die hilfreiche Lösung, die wir uns wünschen. Das Streichen der mündlichen Prüfungen wäre eine Möglichkeit, uns die Last von den Schultern zu nehmen. Anstatt sich in sechs Fächern den alten Stoff alleine beizubringen, müssten wir so nur mehr in drei Hauptgegenständen den Stoff selbstständig nachholen und lernen. Mir ist bewusst, dass alles leichter gesagt als getan ist, trotzdem darf man die Tatsache, dass den Absolventen*innen des letzten Jahrganges nur 2 ½ Monate an Präsenzunterricht fehlten, uns wiederum 5 ½ Monate, nicht vergessen. Es ist also eine logische Schlussfolgerung, die gleichen Maßnahmen für die heurige Matura anzusetzen, die auch bei der letzten in Kraft getreten sind. Fakt ist, dass niemand es in Zeiten der Pandemie leicht hat. Weder wir Schüler*innen, noch Lehrer*innen oder Schuldirektor*innen haben es einfach, doch die Lösung, um tausenden von Schülern den Weg in ihre Zukunft in Zeiten einer globalen Pandemie zu erleichtern, liegt für mich klar und deutlich auf der Hand.

Maturantin richtet Appell an Bildungsminister

Daher mein Appell an den Bildungsminister Heinz Faßmann: Dauer und Häufigkeit eines Lockdowns verändert nichts an der Tatsache, dass uns eine wichtige Periode der Schulbildung fehlt. Wir Maturant*innen des heurigen Jahrganges kämpfen schon länger mit den Folgen der Lockdowns, die im vergangenen Jahr stattgefunden haben, als die Absolventen des letzten Schuljahres und beginnen natürlich auch, uns langsam daran zu gewöhnen. Aber bedeutet Gewohnheit automatisch, dass es uns keine Schwierigkeiten bereitet, eine Zentralmatura im gewöhnlichen Ausmaß positiv abzulegen? Tausende Schüler*innen teilen die Meinung, dass mehr verlangt als geholfen wird. Ich appelliere mit dem Ziel, dass mehr Rücksicht auf uns genommen wird, schließlich bilden wir einen festen Bestandteil der Zukunft Österreichs. Bildungslücken entstehen nicht durch die Kürzung der anzutretenden Prüfungen, sie entstehen deutlich und ungelogen im Distance Learning, unabhängig welche Schulstufe besucht wird.