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Veröffentlicht am 14.06.2021, 21:33

Drei Risse

Flughafen: Wie der Bevölkerung bei der Privatisierung ein Riesen-Kuckucksei gelegt wurde

Klagenfurt - Die ÖVP und der Flughafen-Spin: Mit ihrer eigenen Geschichte in Modulbauweise versuchen sich die Türkisen die Absolution für die Abgabe weiterer Flughafen-Anteile an Franz Peter Orasch zu holen. Eine Entzauberung in drei einschneidenden Rissen.
von Franz Miklautz7 Minuten Lesezeit (932 Wörter)Meinung
In Klagenfurt gibt es einige Diskussionen um die Privatisierung des Flughafens.

Martin Gruber hat neuerdings gute Presse. Kürzlich wurde der ÖVP-Landesrat medial zum weißen Ritter geschlagen. Der den Flughafen Klagenfurt rettet, indem er Mehrheitseigentümer Franz Peter Orasch in die Knie zwingt und selbigem endlich, endlich die versprochenen Millionen-Gaben für den siechkranken Landeplatz abtrutzt. Es klang, als habe ihm seine Vorgängerin als Beteiligungsreferentin, Gaby Schaunig (SPÖ), ein politisches Kuckucksei ins Koalitionsnest gelegt: Einen grottenschlecht verhandelten Privatisierungsdeal. Der ihm – wie ein Findelkind – vor die Haustür gelegt worden wäre.

Allein: Wenn etwas zu schön ist, um wahr zu sein – ist es das meist auch. Die Geschichte ist purer Spin. Es ist eine zugegeben geschickt gemachte Verdrehung von Fakten. Mit einem Funken Wahrheit dahinter, den der Spin – der kleine Bruder der Lüge – als Trägerrakete braucht, um abzuheben. Aber: Schaut man genauer hin, lässt sich der Spin mit Fakten und ein paar Klicks Recherche bis auf die Knochen entzaubern.

Erste Regel: Vom Wesentlichen ablenken

Der Spin soll der ÖVP helfen, sich aus einem politisch medialen Supergau zu befreien: Schmeißt Gruber Orasch keine weiteren Flughafenanteile nach, investiert Orasch nicht. Gibt Gruber hingegen nach, steht die ÖVP öffentlich als Ministrantentruppe da. Mit einer SPÖ als Koalitionspartner, die das auszuschlachten wissen wird. Was haben die schwarz-türkisen Spindoktoren also gemacht? Das, was alle Spindoktoren machen: Vom Wesentlichen ablenken. Hinter den Kulissen spielt sich indes eine ganz andere Geschichte ab.

Der wirkliche Ort des Geschehens

Und das ist die auf einmal zur Prämisse erhobene Verquickung der längst fälligen Investitionen mit einer weiteren Anteilsabgabe. Die ÖVP holt sich so zwischen den Zeilen die Legitimierung, noch mehr Prozente am Flughafen zu verscherbeln. Und schafft sich so eine Bühne, auf der sie nicht nur verlieren, sondern – als Retter der Investitionen – auch gewinnen kann. Dabei hätten, wie im Feber bekannt wurde, längst Investitionen fließen sollen!

Schrecksekunde von drei Jahren

Und zwar während der Amtszeit von Martin Gruber. Hier bekommt der Spin der ÖVP seinen ersten großen Riss. Gruber hat offenbar eine Schrecksekunde von drei Jahren gebraucht, um dem Investor nun endlich die Rute ins Fenster zu stellen. Im geheim gehaltenen Strategieplan sind rund sieben Millionen Euro an „zusätzlichen Investitionen“ angeführt. Ein Busterminal war angedacht, ein Park- & Rideparkplatz, 3,5 Millionen Euro für ein Parkhaus. 1,1 Millionen für die Erweiterung der Flughafenhalle. 400.000 Euro für den Gastrobereich. Um nur einige zu nennen. Mit einzelnen Maßnahmen hätte bereits 2018 begonnen werden sollen – dem Antrittsjahr Grubers als Beteiligungsverantwortlicher. Und lange vor Corona. Geschehen ist nichts. Auch warum dem Investor offenbar niemand nahe gelegt hat, gerade die flugfreie Corona-Zeit für Investitionen zu nutzen, um nach der Pandemie rasch abheben zu können, bleibt ein Mysterium. Und könnte auf eines hindeuten: Ohne die Verwertung der riesigen nicht betriebsnotwendigen Grundstücke des Flughafens sind die Airport-Investitionen gar nicht möglich. Das allerdings hätte die öffentliche Hand wahrscheinlich auch selbst zusammen gebracht.

Der Zusammenbruch der Findelkind-Theorie

Der wahre Funke am Spin der ÖVP ist der grottenschlechte Privatisierungsdeal, an dem auch Schaunig ihren Anteil zu haben scheint. Aber sie allein? Wohl eher nicht. Denn auch die Mär vom schlecht verhandelten Vertrag durch Schaunig und der nunmehrigen Rettungsaktion von Gruber geht nicht auf. Mehr noch: Sie ist ein Schuss ins Knie. Den „Salzburger Nachrichten“ erklärte Gruber am 5. Juni 2018 die Verzögerung bei der Beschlussfassung der Privatisierung nämlich so: “Bei so einem großen Geschäft war es nötig, dass wirklich alle Vertragsteile auf das kleinste und genaueste abgeklärt werden.” Klingt nach voller Kenntnis Grubers. Und nicht nach fremdem Findelkind. Das ist Riss Nummer zwei. Dem folgt Riss Nummer drei: Gruber war bei Unterzeichnung des Privatisierungsvertrags bereits drei Monate im Amt. Da kann man mitunter schon von Befleckung sprechen. Also keine Spur von: Wie die Jungfrau zum Kind.

Schwarzer Peter für den roten Peter

Teil des Narrativs der ÖVP ist auch, die SPÖ dränge sie, schnellstmöglich Oraschs Wünsche zu erfüllen, weil es eine nicht näher beschriebene Nähe des Investors zur roten Reichshälfte gäbe. Vielleicht ist da was dran. Nur: Bis zur Beweisführung kann diese These wohl nur als Versuch gewertet werden, den Schwarzen Peter dem roten Peter zuzuschieben.

Brösel für die Laufbahn

Stellt sich nur die Frage, warum man einen Strategieplan geheim hält, der für Orasch ohnehin nicht bindend ist? Neben dem Wunsch des Investors könnte die Geheimhaltung aber auch die politischen Karrieren von Schaunig und Gruber verschont haben. Wäre nämlich von Anfang an klar gewesen, dass man 74,9 Prozent nicht nur für keinen einzigen Euro Kaufpreis hergegeben hat, sondern damit auch noch keinerlei Investitionsverpflichtung Oraschs verbunden gewesen ist, wäre die Laufbahn der einen oder des anderen womöglich dezent ins Stocken geraten.

Aus dem Nest drängen

Der einzige, der tatsächlich wie die Jungfrau zum Kind kam, ist Martin Payer. Der Chef der Kärntner Beteiligungsverwaltung (KBV) wurde erst 2019 zum Vorstand ernannt. Er verhandelt nun mit Orasch. Der Investor ist auf der sicheren Seite. Zwar ist der Strategieplan, wie der Rechnungshof in einem vernichtenden Urteil über die Privatisierung feststellte, integraler Bestandteil von Oraschs Angebot – klagen würde man Orasch auf die Investitionen aber nicht können. Es würde einem Wunder gleichen, würde es Payer gelingen, Orasch die längst notwendigen Geldtranchen abzuringen, ohne ihm weitere Prozente nachzuschmeißen. Und das alles wegen eines Kuckuckseis, das in Wahrheit der Bevölkerung gelegt wurde: Die droht jetzt nämlich wegen des grottenschlechten Deals aus dem Nest gedrängt zu werden.

Der Autor

Der Klagenfurter Franz Miklautz ist als Investigativjournalist tätig. Unter anderem betreibt er die Plattform mediapartizan.at, auf der er regelmäßig Missstände aufdeckt. Er war nominiert für den Literaturpreis Wartholz VII und ist Gewinner des “Erostepost”-Literaturpreises 2014.

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