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Veröffentlicht am 15.01.2022, 20:04

Opposition auffallend laut leise

Die Flughafen-Privati­sierung und die politische Verant­wortung für die Misere

Klagenfurt - Am 4. März 2018 jubelte Peter Kaiser. Und das zurecht: Der SPÖ-Landeshauptmann kommt an diesem Tag auf fast 48 Prozent Wahlergebnis bei den Landtagswahlen. Noch ein paar Zerquetschte und die SPÖ hätte die Alleinherrschaft im Land errungen. Die FPÖ legt auch zu, die ÖVP nur leicht. Die Grünen werden massakriert. Viereinhalb Monate danach, im Juli 2018, sind 74,9 Prozent des Klagenfurter Flughafens weg.
von Franz Miklautz 8 Minuten Lesezeit (997 Wörter)Meinung

Per Privatisierung in die Hand von Franz Peter Orasch gelegt. Einem Immobilienentwickler. Der die Flughafen-Anteile mit seiner Lilihill-Gruppe übernommen hat. Um, wie der Rechnungshof feststellte, keinen Kaufpreis. Orasch hatte stattdessen knapp über acht Millionen Euro in die Flughafengesellschaft eingebracht. Am Steuerzahlerkonto landete: Nichts.

Intransparenz: Das unrühmliche Kapitel der Geheimhaltung

Im April 2018 übernimmt die ÖVP, Koalitionspartner der SPÖ, das Beteiligungsreferat. Sieht man sich Unterlagen des Privatisierungsprozesses an, gelangt man schnell zur Erkenntnis: Die Zeitrechnung der Vergabe beginnt nicht erst im Juli 2018. Da ging bloß noch die Vertragsunterzeichnung über die Bühne. Der Prozess startete schon viel früher. 2015 etwa forderte der damalige Flughafen-Chef Max Schintlmeister ein Gutachten über den Wert der nicht betriebsnotwendigen Grundstücke an. Dieses ergab einen Wert von rund 28 Millionen Euro für 51 Hektar. In dieser Zeit, bis eben 2018, waren die Landesbeteiligungen in SPÖ-Hand. Im Herbst 2017 etwa schreibt die Lilihill an ihrem Angebot für den Flughafen. Bis heute ist diese sogenannte „Anlage 4.2“ des Beteiligungsvertrags – der Strategieplan – geheim, der Öffentlichkeit wird die Sichtung der Unterlage seit dreieinhalb Jahren verwehrt – obwohl es sich um die Vergabe öffentlichen Eigentums gehandelt hatte. Nicht einmal der Beteiligungsvertrag selbst sollte anfangs publiziert werden. Erst nach einigem Aufruhr wird er veröffentlicht. Den Strategieplan, mit dem investive Fortschritte am Flughafen messbar gewesen wären, den sperrt man weg. Von Anfang an haftet der Privatisierung damit der Makel der Intransparenz an.

Ein Plan unerfüllter Wunschträume

Dabei wäre der Strategieplan für den einen oder anderen eine spannende Lektüre gewesen: Ist darin doch von Investitionen die Rede. So müsste nach diesem Papier schon ein Parkhaus am Flughafen stehen. Mit 480 Stellplätzen, Kosten: 3,5 Millionen Euro. Oder ein Park & Ride-Parkplatz. Mit einer Investition durch die Flughafengesellschaft von 200.000 Euro. Oder eine erneuerte Flughafenhalle um 1,1 Millionen Euro. Nur: Man muss in keinen Flieger steigen, um aus der Vogelperspektive zu erkennen: Das gibt es alles nicht. Ein nackter Blick aus der Ebene reicht: Am Airport herrscht Tristesse.

Zahlen in Klagenfurt sacken ab

In einer Sache muss man jedoch Fairness walten lassen: Im Strategieplan scheint für diese Bauten ein Realisierungszeitraum von 2018 – 2020 auf. Die Privatisierung erfolgte jedoch erst zur Mitte des Jahres 2018. Aber selbst wenn man der Realisierung noch das ganze Jahr 2021 einräumen würde: Der Zug ist abgefahren, die Bauten sind nicht da. Corona? Möglich. Aber kein Freibrief: Der Flughafen Laibach hat in der Corona-Zeit einen Terminalausbau um 21 Millionen Euro hingelegt. Und auch die Passagierzahlen zeigen anderswo wieder nach oben: Am Flughafen Triest laut Eigenangaben etwa von 209.000 (2020) auf über 300.000 im Vorjahr, das sind gute 50 Prozent plus (Jän. bis Nov.). Oder Graz: Von 200.000 auf 226.000 – plus 13 Prozent. Klagenfurt hingegen sackt ab: Von 49.000 (2020) auf rund 30.000 (2021), das ist ein Minus von gut 40 Prozent. Spöttisch könnte man sagen: So spart man sich das Parkhaus.

Reisemotiv „Parkhaus“

Von Anfang an quittierten Beobachter die Flughafenpläne mit Kopfschütteln: „Wer kommt nach Klagenfurt wegen eines neuen Parkhauses?“, war etwas höhnisch zu hören. Seit dreieinhalb Jahren bekommt es der Flughafen nicht hin, ein touristischer Hotspot zu werden. Dabei ist genau davon im Strategieplan die Rede: Nämlich von der Positionierung des Airports als Tourismusflughafen. Und als Winterflughafen in den Alpen. Stattdessen landeten im vergangenen Dezember Briten in Tirol und Salzburg, um die dortigen Pisten unsicher zu machen.

Investor ohne Investitionsverpflichtung

Der Rechnungshof hielt aber auch fest, dass der Investor nicht auf die im Strategieplan beschriebenen Ziele festgezurrt werden kann – das Papier sei eine bloße Absichtserklärung, ohne Verbindlichkeit. Stellt sich die Frage: Warum überlässt die Landespolitik einem Investor Dreiviertel eines Flughafens, wenn der sich im Gegenzug zu keinen Investitionen verpflichtet? Und: Wenn vom Strategieplan ohnehin zumindest nichts Sichtbares realisiert wurde, warum wird er dann noch immer unter Verschluss gehalten? Nun: Vielleicht genau darum.

Der widerrufene Widerruf

Die Antwort auf die Frage, warum man den Flughafen dennoch privatisiert hat, ist höchstwahrscheinlich äußerst banal: Man wollte ihn loswerden und hat ihn Orasch umgehängt. Der ein Strategiepapier ausarbeiten ließ, das nicht ernst zu nehmen ist und das streckenweise den literarischen Schwierigkeitsgrad einer schulischen Nacherzählung unterschreitet. Beleg für diese Theorie könnte auch sein, dass Orasch als einziger Bieter (der zweite zog sich zurück) übrig geblieben war. Womit man die Ausschreibung widerrufen hätte können. Die vom Juni 2017 datiert. Laut Rechnungshof hatte man Orasch bereits vom Widerruf benachrichtigt: „(…) informierte die ausschreibende Stelle den verbliebenen Bieter (Lilihill, Anm.) darüber, dass sie beabsichtigte, das Vergabeverfahren zu widerrufen.“ Die Benachrichtigung sei rechtlich notwendig gewesen. Allerdings, so die Prüfer in ihrem geharnischten Bericht über die Privatisierung, habe man die Beurteilung der Bewertungskommission abgewartet. „Letztendlich erfolgte (…) kein Widerruf sondern die Erteilung des Zuschlags“, so der Rechnungshof.

Vorgeschobenes Klagsrisiko?

Der Prüfbericht enthält ein weiteres interessantes Detail: „Ein Aufsichtsratsmitglied (der K-BV, Anm.) berief sich (…) bei der Argumentation gegen einen Widerruf des Vergabeverfahrens auf eine Rechtsauskunft des begleitenden Anwalts, aus der hervorgehen würde, dass mit einem Widerruf das Risiko eines Rechtsstreits mit dem verbliebenen Bieter verbunden wäre und die damit einhergehenden Klags- und Kostenrisiken (…) nicht abschätzbar wären.“ Allerdings fand der Rechnungshof heraus, dass das so nicht stimmte. „Die Ausführungen des Aufsichtsratsmitglieds unter Berufung auf den Anwalt entsprachen nicht der schriftlich dokumentierten rechtlichen Prüfung des Anwalts. Dessen Prüfung der möglichen Varianten (…) hatte ergeben, dass sowohl der Widerruf als auch die Erteilung des Zuschlags gleichwertige und zulässige Möglichkeiten waren, das Verfahren zu beenden.“

Frage nach politischer Verantwortung wird lauter

Kein Kaufpreis; Intransparenz und Geheimhaltung; dreieinhalb Jahre Dornröschenschlaf; häufige Geschäftsführerwechsel; Passagierzahlen Richtung Keller; ein Klagsrisiko, das offenbar keines war; ein zahnloser Strategieplan; und ein Investor, der nicht liefert – aber trotzdem nach 49 Hektar der Flughafengründe greift. Es soll Länder geben, in denen die Hälfte davon ausreichen würde, um einen U-Ausschuss vom Zaun zu brechen. Zur Klärung folgender Frage: Wer trägt die politische Verantwortung für diese Bruchlandung? In Kärnten jedoch verhält sich die Opposition – FPÖ und Team Kärnten – auffallend laut leise.

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