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Veröffentlicht am 28.06.2022, 13:42

Tage der deutschsprachigen Literatur 2022

Bachmann­preis: Gewinner­text von Ana Marwan sorgt für "Gänse­haut­momente"

Klagenfurt / Graz - Klaus Kastberger, Professor für neuere deutschsprachige Literatur an der Universität Graz sowie Leiter des Literaturhauses, ist seit Jahren fester Bestandteil des jährlich stattfindenden Bachmannpreises in Klagenfurt. Er nominierte Ana Marwans Text „Wechselkröte“, welcher mit einem Preisgeld von 25.000 Euro ausgezeichnet wurde. In seiner Laudatio und in einem Interview mit 5 Minuten begründet er, warum seine Wahl auf die gebürtige Slowenin fiel.
von Elisa Auer4 Minuten Lesezeit (491 Wörter)
Gewinnerin Ana Marwan.

Im Rahmen der Tage der deutschsprachigen Literatur 2022 in Klagenfurt wurden insgesamt fünf Preise verliehen. Um die Spannung an die Spitze zu treiben, wurde die Gewinnerin des Bachmannpreises erst zum Schluss bekannt gegeben. In den Vorjahren wurde diese Auszeichnung immer als Erstes verliehen. Auch hinsichtlich des Votings der Preise wurde ein neues Verfahren gewählt: Entgegen der üblichen Manier einer Live-Abstimmung fiel die Entscheidung bereits am Vorabend, die Jury-Mitglieder konnten mittels eines Punktesystems für die Texte voten. Jedes Mitglied konnte einmalig vier, drei, zwei und einen Punkt vergeben, die Auswertung erfolgte schließlich über einen Justiziar.

Weitgehend positives Echo innerhalb der Jury

Der Gewinnertext wurde dann Sonntagmittag offiziell bekannt gegeben: Ana Marwan lässt sich in ihrem Text „Wechselkröte“ vom „Deutschen treiben und treibt das Deutsche mit einer ausgerauten Stimme mit sich und vor sich her“, so Klaus Kastberger, der die in Slowenien aufgewachsene Autorin eingeladen hat. „Die Wechselkröte ist ja grundsätzlich ein sehr zarter und leiser Text, der mit der Sprache einen recht eigenwilligen Tanz aufführt. Von Einsamkeiten ist in diesem Text die Rede und auch von jener spezifischen Einsamkeit, die wir alle je eigen in den letzten beiden Jahren erlebt haben und erleben mussten“, lautet sein Fazit zu diesem Text, welcher zusätzlich auch Handlungsperspektiven offeriert. Aber nicht nur Klaus Kastberger äußert sich wohlwollend zum diesjährigen Gewinnertext, bereits in der Jurydiskussion, die auf die Lesung folgte, konnte sich die Autorin weitgehend positiver Resonanz erfreuen. Einige kleinere Kritikpunkte gab es dennoch, wie sollte es auch beim Bachmannpreis anders sein. Philipp Tingler bemängelte die Spaltung des Textes, in zwei Teile, deren Zusammenführung Anna Marwan nicht gelang. Bei Mara Delius, Insa Wilke und Vea Kaiser waren es nur Feinheiten, die kritisiert wurden, und auch Brigitte Schwens-Harrant sprach sich grundsätzlich für den Text aus. Inspiriert von der „Wechselkröte“ knüpfte Klaus Kastberger an diese Tierallegorie an, für ihn sei das Werk ein wahrer „Gänsehauttext“.

Klaus Kastlberger.

Ein Text, dessen Potenzial sich im Vortrag zusätzlich steigert

„Ich habe, als ich diesen Text zu Hause gelesen und dann auch nominiert habe, nicht gedacht, dass er vor echtem Publikum eine derart intensive Wirkung entfaltet. Ana Marwan hat die Menschen mit leisen Tönen an die Hand genommen und gezeigt, was es heißt, sich selbst zu einer literarisch Sprechenden zu machen. Auch aus den Einsamkeiten heraus, in die hinein wir alle in den letzten beiden Jahren gestellt waren. Jetzt bin ich gespannt, wie es mit dieser tollen Autorin weitergeht”, resümiert der Universitätsprofessor gegenüber 5 Minuten. Bereits in der Jurydiskussion zeigte er sich selbst überrascht, wie sehr der Text seine Wirkung erst durch den Prozess des Vorlesens entfaltet. „Die in der slowenischen Stadt Murska Sobota aufgewachsene Autorin führt die deutsche Sprache so vor sich her, als hätte sie niemals in einer anderen Sprache gelebt“, so äußert er sich in seiner Laudatio hinsichtlich der enormen Sprachqualität der „Wechselkröte“.

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