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Veröffentlicht am 12.07.2022, 19:50

Prozess vor Arbeitsgericht

Ketten­dienst­verträ­ge: Mit­arbeiterin zwang Gemeinde Keutschach in die Knie

Keutschach - Keutschacher Gemeindekraft klagte ihren Arbeitgeber und gewann jetzt auch das Berufungsverfahren. Bürgermeister Oleschko erntet deutliche Kritik von der Landesaufsicht: Sein Vorgehen bei der Berufung war „rechtswidrig“. Erst im Nachhinein gelang "Sanierung". Die siegreiche Mitarbeiterin fordert jetzt 24.000 Euro Lohn-Nachzahlung.
von Franz Miklautz7 Minuten Lesezeit (897 Wörter)

Gewitterwolken ziehen sich derzeit über Keutschach zusammen. Für die Seengemeinde setzte es in einem Berufungsverfahren am Oberlandesgericht (OLG) Graz eine herbe Niederlage. In diesem Verfahren hatte die Gemeinde gegen ein Ersturteil des Landesgerichts Klagenfurt berufen. Darin hatte die Justiz einer Mitarbeiterin Recht gegeben, die die Gemeinde auf Wiedereinstellung klagte.

Niederlage in der Berufung

Zuvor war die Frau in aufeinander folgenden befristeten Dienstverhältnissen für die Gemeinde tätig gewesen. Und zwar am Aussichtsturm am Pyramidenkogel. 2021 sollte sie dann aber nicht wieder eingestellt werden. Weswegen die resolute Dame kurzerhand den Klagsweg beschritt. In erster Instanz bekam sie im Oktober 2021 Recht. Am OLG Graz dann am 24. Mai dieses Jahres. Aus der Begründung: Es handle sich um Kettenarbeitsverträge, mit denen die Frau beschäftigt worden war.

Bürgermeister zuerst gegen die Berufung

Kurios ist aber der Weg, wie es zur Berufung – und letztlich zur Bestätigung der Niederlage – am OLG Graz kam. Denn diese Berufung hätte es gar nicht geben sollen. Das hatte zumindest der Gemeinderat am 14. März dieses Jahres beschlossen. Und zwar einstimmig – also auch mit der Stimme von Bürgermeister Gerhard Oleschko (Team Kärnten). Das geht aus einer erst vor wenigen Tagen erschienenen Stellungnahme der Kärntner Gemeindeaufsicht hervor, die 5 Minuten vorliegt.

Vorgangsweise Oleschkos „entspricht nicht dem Gesetz“

An besagtem 14. März hatte der Gemeinderat laut dem Papier nämlich beschlossen, die geplante Berufung gegen das Ersturteil zurückzuziehen. Doch „hat der Bürgermeister weder den (…) vom 14. März 2022 gefassten Beschluss, die Berufung zurückzuziehen durchgeführt, noch hat er eine Begründung für die Hemmung der Durchführung des (…) Beschlusses angeführt“, schreibt die Landesaufsicht. Und „diese eigenmächtige Vorgangsweise des Bürgermeisters entspricht nicht dem Gesetz“. Soll heißen: Oleschko hat die Berufung nicht zurückgezogen.

Bürgermeister Gerhard Oleschko

Wundersame Wandlung – Rechtswidrigkeit „im Nachhinein saniert“

Wie das geht? Indem der Gemeinderatsbeschluss vom 14. März „mit Gemeinderatsbeschluss vom 24.05.2022 (…) offensichtlich aufgehoben wurde“, erklärt die Landesaufsicht. “Die ÖVP und die Keutschacher Liste haben dem Bürgermeister bei diesem Beschluss sekundiert”, sagt Karl Dovjak, Vizebürgermeister von Keutschach (SPÖ). Auf diese Weise habe Oleschko die Berufung dann doch noch durchgebracht, so Dovjak weiter. Doch dafür gibt es harsche Kritik von der Aufsichtsbehörde. Sie hält fest, „dass die ursprüngliche Berufung (rechtswidriger weise) vom Bürgermeister ohne Zustimmung des Gemeinderates eingebracht wurde“. Doch in der Sitzung vom 24. Mai hat der Gemeinderat „offensichtlich plötzlich eine Meinungsänderung vollzogen, indem mit dieser mehrheitlichen Beschlussfassung das ursprünglich rechtswidrige Handeln des Bürgermeisters im Nachhinein saniert wurde“.

Opposition: Oleschko hätte schon am 29. März Bedenken äußern müssen

Oleschko hätte in Sachen Berufung laut Aufsichtsbehörde nicht einmal den Rechtsanwalt beauftragen dürfen, ohne dies den Gemeinderat beschließen zu lassen (was erst am 24. Mai erfolgte). „Wenn der Bürgermeister Bedenken gegen die Zurückziehung der Berufung hatte, hätte er den Gemeinderat schon in der auf den 14. März folgenden Sitzung informieren müssen. Und das war der 29. März. Da hat er aber kein Wort darüber verloren“, kritisiert Dovjak. Der von der Landesaufsicht Unterstützung erhält: Es sei davon auszugehen, „dass die Beauftragung eines Rechtsanwaltes mit der Einbringung einer Berufung seitens des Bürgermeisters mangels dementsprechender Beschlussfassung im Gemeinderat rechtswidrig erfolgt ist“. Und zwar „weil es sich dabei um keine Angelegenheit der laufenden Verwaltung handelt“. Doch Oleschko planierte diese Rechtswidrigkeit wie gesagt am 24. Mai.

Déjà vu: Schon einmal Klage einer Mitarbeiterin

Warum aber war etwa die Gemeinde-ÖVP nachträglich für die Berufung? Zumal es im Jahr 2018 schon einmal einen Fall einer Mitarbeiterin gab, die ebenso die Gemeinde klagte und in erster und zweiter Instanz gewann. „Weil uns der Anwalt sagte, dass wir Chancen haben, das Verfahren doch noch zu gewinnen“, sagt Vizebürgermeister Clement Leitner (ÖVP). Man habe einen Präzedenzfall verhindern wollen, „dass Gemeindemitarbeiter erfolgreich ihren Arbeitgeber klagen“. – „Außerdem war der Fall damals nicht ident mit der jetzigen Klage“, sagt Leitner. Dennoch ging es auch damals darum, ob die Gemeinde in Berufung gehen solle oder nicht, wie ein seinerzeitiges Sitzungsprotokoll zeigt. Der Gemeindevorstand plädierte damals für die Berufung. Ausgerechnet Oleschko trat dagegen ein: „(…) bitte dem Beschluss des Vorstandes nicht zustimmen“, wird Oleschko in dem Papier zitiert. Oleschko heute dazu: „Der Fall von damals ist mit dem jetzigen überhaupt nicht vergleichbar.“ Er rede aber über Mitarbeiter nicht am Telefon, lässt der Gemeinde-Chef wissen.

Karl Dovjak

“Nahezu idente Angelegenheit” schon 2018

Ein Blick in das Ersturteil lässt aber ein anderes Bild zu als es Oleschko nun zeichnet: Das Gericht “habe in einer nahezu identen Angelegenheit bereits ausgesprochen, dass in Bezug auf den Pyramidenkogel keine besonderen wirtschaftlichen oder betrieblichen Voraussetzungen für die Aneinanderreihung von befristeten Dienstverhältnissen vorliegen würden”. Dabei handelt es sich um exakt jenen Fall von 2018, den die Gemeinde bereits damals in der Berufung verlor. Dovjak: “Aus der Geschichte von damals hat man nichts gelernt.” Seine Fraktion wie auch die Grünen seien gegen die jetzige Berufung gewesen.

Streit um 24.000 Euro

Den beiden Urteilen, auch sie liegen 5 Minuten vor, ist zu entnehmen, dass die Gemeinde der klagenden Mitarbeiterin 6.900 Euro an Verfahrenskosten zu ersetzen hat. Dabei wird es aber wahrscheinlich nicht bleiben: Denn die Frau fordert rund 24.000 Euro an Lohnnachzahlungen (bis Ende April 2022). Dem Vernehmen nach möchte die Gemeinde aber nur 6.600 anerkennen. Am 25. Juli prozessiert man deshalb am Landesgericht Klagenfurt. Die Gewitterwolken über Keutschach werden sich vorerst also nicht verziehen.

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