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Veröffentlicht am 28.08.2022, 20:08

Leserbrief...

Päda­gogin reicht es: "Gruppen­größen müssen endlich reduziert werden!"

Kärnten - Immer wieder werden bessere Rahmenbedingungen für Elementarpädagog:innen gefordert. Viel scheint sich in dieser Hinsicht jedoch noch nicht getan zu haben - zumindest wenn es nach einer jungen Kärntnerin geht, die diesen Beruf ausübt. "Was muss passieren, bis politisch endlich interveniert wird?", schreibt sie in einem offenen Brief.
von Anja Mandler6 Minuten Lesezeit (837 Wörter)Meinung

Eigentlich liebt die 28-jährige Marie* ihren Beruf als Elementarpädagogin. Nach einem Notfall in ihrer Bildungseinrichtung, der für einen fast dreijährigen Jungen lebensgefährlich war, schreibt sich die junge Kärntnerin in einem offenen Brief nun den Frust von der Seele. Darin fordert sie ein weiteres Mal bessere Arbeitsbedingen für sich und ihre Kolleg:innen. “Dieses Kind hatte Glück. Werden in Zukunft alle Kinder dieses Glück haben? Was muss passieren, bis politisch endlich interveniert wird?”

Leserbrief: “Es war dramatisch…”

“Vorweg sei gesagt, ich liebe meinen Beruf – mittlerweile darf ich eine Position bekleiden, welche mich mit vollem Stolz füllt und ich unendlich dankbar bin, mit meinen 28 Jahren beruflich so weit gekommen zu sein. Heute kam es in meiner Bildungseinrichtung zu einem medizinischen Notfall. Aus datenschutzrechtlichen Gründen bin ich nicht befugt, diesen näher auszuführen. Aber soviel sei gesagt, es war dramatisch und das Leben eines kleinen unter dreijährigen Jungen stand auf dem Spiel. Ich selbst darf das Privileg genießen, eine Ausbildung zur staatlich geprüften Rettungssanitäterin absolviert zu haben – die eigentlich zu jeder Sekunde wissen sollte wie sie sanitätstechnisch vorzugehen hat, wie sie mit belastenden Einsätzen umgeht und vor allem wie sie sich selbst abgrenzt und psychisch schützt.

In meinem konkreten Fall bin ich aber Betroffene – ich kenne dieses Kind wie jedes andere meiner 130 Kinder in meiner Bildungseinrichtung beim Namen, verbringe Zeit mit ihnen beim gemeinsamen Spielen, Entdecken, Forschen, in lustigen und traurigen Momenten und darf sie in ihrer Entwicklung begleiten und unterstützen. Ich selbst habe mit Belastungsreaktionen zu kämpfen, sehe Bilder des Geschehenen immer und immer wieder vor mir und stelle meine eigenen Kompetenzen in Frage, Kolleg:innen sind im Foyer unserer Einrichtung in Tränen ausgebrochen, weil sie mit solch einer derartigen belastenden Situation überfordert waren.

“Wir sind schon lange keine ‘Tanten’ mehr”

Wir hatten heute Glück – Glück, dass zwei Kolleginnen im Schlafraum anwesend waren und sofort gemerkt haben, dass bei dem Kind etwas nicht stimmt! Sofort wurde die Rettungskette in Gang gesetzt – jede Mitarbeiterin hat richtig reagiert und ihr Bestes gegeben. Auch ich wurde unmittelbar nach Bemerken des akut schlechter werdenden Zustandes des Kindes von einer weiteren Kollegin hinzugezogen! Die Dauer bis zum Eintreffen der Rettungsmannschaft hat sich angefühlt, als wären es Stunden! Nebenbei sei erwähnt, dass wir Glück hatten, dass das bodenbezogene NEF des RK Kärntens verfügbar war und von mir beim Absetzen des Notrufes mitalarmiert wurde.

Und nun zu meiner eigentlichen Botschaft – wir sind schon lange keine „Tanten“ mehr – wir sind qualifizierte und ausgebildete pädagogische Fachkräfte welche nicht nur die Qualität einer ausreichenden Betreuung sicherstellen – wir sind Seelentröster, Elternberater, Sicherheit und Anker für all die uns anvertrauten Kinder, Experten in unterschiedlichsten pädagogischen Bereichen und können auch zu Lebensrettern in Notfällen werden!

“Rahmenbedingungen werden nicht besser, sondern zunehmend schlechter!”

Seit Jahren wird politisch diskutiert, seit Jahren herrscht akuter Personalmangel – Rahmenbedingungen werden nicht besser, sondern zunehmend schlechter! Die neue 15A Vereinbarung ein Witz! Lieber Nationalrat, Landesrat, sämtliche politische Vertreter, anhand meines konkreten Falles, was wäre gewesen, wenn an diesem Tag nur eine oder keine pädagogische Fachkraft im Raum gewesen wäre? Was, wenn sie gerade damit beschäftigt gewesen wäre, ein anderes Kind in den Schlaf zu begleiten, weil es seine Mama/Papa schrecklich vermisst und Nähe und Geborgenheit in diesem Moment benötigt oder sie ein anderes Kind auf die Toilette begleitet hätte? Diese Szenarien sind aufgrund des Personalmangels Daily Business- und sie deshalb nicht bemerkt hätte, dass es bei einem anderen Kind zu einem neurologischen Notfall während des Schlafes gekommen ist? Angemerkt muss werden, dass der Betreuungsschlüssel je nach Bundesland variiert, was ich persönlich als unfair empfinde, schließlich haben alle Kinder das gleiche Recht auf einen besseren Betreuungsschlüssel sowie alle Erzieher/-innen mit derselben Ausbildung die gleichen Arbeitsbedingungen vorzufinden.

„Zu welchem Preis möchte ich Elementarpädagogin bleiben?”

Ich kann es Ihnen ganz klar sagen, diese pädagogische Fachkraft hätte sich vermutlich ihr restliches Leben Vorwürfe gemacht! Über die rechtlichen Konsequenzen möchte ich erst gar nicht sprechen. Dieses Kind hatte Glück. Werden in Zukunft alle Kinder dieses Glück haben? Was muss passieren, bis politisch endlich interveniert wird? Ich liebe meinen Beruf. Nein, ich habe ihn bis zum 25. August 2022 geliebt, seitdem stelle ich mir selbst die Frage: „Zu welchem Preis möchte ich Elementarpädagogin bleiben? Es ist an der Zeit, dass endlich reagiert wird, verschlafen hat die Politik in Bezug auf die Elementarpädagogik seit Jahrzehnten! Die Gruppengrößen müssen endlich reduziert werden und das Lohnschema einheitlich und zeitgerecht angepasst werden! Die Anforderungen werden immer größer und die psychische und physische Belastung der pädagogischen Fachkräfte steigt stetig an! Dieses politische HECK-MECK muss aufhören!

Mit freundlichen Grüßen, eine Elementarpädagogin aus Kärnten!

*Name von der Redaktion geändert

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