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Veröffentlicht am 26.01.2023, 17:26

Eine Symbiose aus Licht und Ton

Zwischen Privatsphäre und Überwachung: Dom im Berg wird zum audiovisuellen Laborgefängnis

Graz - Von 28. Jänner bis 9. Februar wird der Dom im Berg mittels Ton- und Lichteffekte zum Gefängnis umfunktioniert. Moderne Technologie trifft auf zeitgenössische Themen. Eine Welt der digitalen Selbstinszenierung und Offenlegung des eigenen Privatlebens wirft eine zentrale Frage auf: Wer ist eigentlich Aufseher und wer Gefangener?
von Elisa Auer4 Minuten Lesezeit (488 Wörter)

Im Zuge einer Pressekonferenz wurde heute in den Dom im Berg geladen – präsentiert wurde die neue immersive, audiovisuelle Installation Ambisonic Panopticon. Dabei handelt es sich um eine Kooperation der Grazer Spielstätten mit dem Kulturverein Institute for Sonic Welfare. Es gab bereits erste exklusive Einblicke, der offizielle Startschuss der Inszenierung erfolgt am Samstag. Als Gesprächspartner standen Radmila Stankovic (Künstlerische Leitung & Spatial Design), Lain Iwakura und Michael Romanov (Sounddesign & Komposition), Kulturwissenschaftler Igor Friedrich Petkovic und der Grazer Spielstätten-Geschäftsführer Bernhard Rinner zur Verfügung.

Das digitale Panopticon: „zeigen statt beobachtet werden“

„Noch vor der Corona-Pandemie schafften wir eine besondere Investition im Dom im Berg – ein Ambisonics-Soundsystem, welches aus 48 Lautsprecherpositionen besteht und einen ‚3D-Klang‘ vermitteln kann“, so präsentiert Bernhard Rinner die Anlage, welche auch zukünftig KünstlerInnen als Werkzeug für ihre Installationen dienen soll. Das Konzept des Panopticons fußt auf einer Idee des britischen Philosophen Jeremy Bentham, welche es WärterInnen einer Haftanstalt den totalen, schonungslosen Einblick in eine Zelle ermöglichte. Architektonisch sah dies folgendermaßen aus: Die einzelnen Zellen wurden entlang der Außenwand eines runden Gebäudes angeordnet, in dessen Mitte ein Überwachungsturm angebracht wurde, welcher absolute Einsicht in jede einzelne Zelle gewährte – die Inhaftierten waren somit der totalen Überwachung ausgeliefert. Die Privatsphäre ist heutzutage ein sehr ambivalentes Phänomen: Während strenge Datenschutzrichtlinien zum Schutz von Personen dienen sollen, regiert in den sozialen Medien die Selbstinszenierung. Das Private wird im digitalen Raum zum Öffentlichen transformiert, mit dem Vorteil, dass man selbst entscheiden kann, auf welche Art und Weise man sich präsentiert. Kulturwissenschaftler Igor Friedrich Petkovic bezeichnet dies als „selbstoptimierenden Existenz-Striptease“.

Verschwimmende Grenzen: Insasse oder Wärter?

Gegensätze wie Lust und Schmerz, Gefangener und Wärter oder Privatsphäre und Öffentlichkeit lösen sich im Panopticon auf. „Es sind humanistische Erkenntnisse in den Zellen des Selbst – Das Ambisonic Panopticon ist ein herausforderndes künstlerisches Experiment zwischen gesellschaftlicher und individueller Überwachung, Beobachtung und Kontrolle“, so Petkovic. Die Inszenierung zielt auf die verschiedenen Sinne: Ein Zusammenspiel aus Licht und Klang ermöglicht Selbstentgrenzung und Katharsis. Lässt sich in der heutigen Zeit überhaupt noch eine Grenze zwischen Aufseher und Insasse ziehen? „Beobachtet sein oder nicht Sein, das ist hier schon lange keine Frage mehr!“, bekräftigt der Kulturwissenschaftler und gibt dadurch Anlass zur Neuevaluierung und Reflexion.

Hard Facts

Die 25-minütige Inszenierung, welche sich auf Leitgedanken des architekturtheoretischen Humanismus beruft, ist in drei Akte gegliedert. Es handelt sich dabei um eine Live-Perfomance, die interaktive Elemente mitintegriert. Am Samstag erfolgt bereits der Startschuss für geladene Gäste, am Sonntag wird die Ausstellung für alle eröffnet. Pro Tag gibt es zehn Zeitslots zu buchen, wobei ein Maximum von 25 Personen die idealen Voraussetzungen des Erlebnisses schaffen soll. Bis zum 9. Februar läuft die Ausstellung – der Dom im Berg fungiert dabei als geeignete Location, da er selbst als Fluchtort zum Schutz vor Bombenangriffen konzipiert wurde.

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