„Scham und Verlust“: Teuerung trifft untere Mittelschicht hart
Die Teuerung in Österreich belastet die untere Mittelschicht stark. Die Armutskonferenz beleuchtet, wie steigende Preise Lebensqualität und Zukunftspläne beeinflussen.
Die aktuelle Studie der Armutskonferenz („Die Teuerung und das untere Einkommensdrittel“) gibt einen Einblick in die Auswirkungen der steigenden Lebenshaltungskosten auf die untere Mittelschicht in Österreich. Die detaillierten Berichte von Armutsbetroffenen verdeutlichen, dass die Teuerung dazu führt, dass sie den Gürtel noch enger schnallen müssen, obwohl sie bereits vorher am finanziellen Limit lebten.
Geringste Belastungen bringen Armutsbetroffene aus dem Gleichgewicht
Laut Studienautorin Evelyn Dawid bringen schon geringfügige finanzielle Belastungen das fragile Gleichgewicht dieser Menschen durcheinander. Die vorgestellten Einblicke in das Leben der Betroffenen während der Teuerung zeigen, dass es keine Stunde Null gab, in der ihre Haushaltsbudgets ausgeglichen waren. Die Armutsbetroffenen jonglieren täglich mit Rechnungen und Ausgaben, und jede finanzielle Belastung bringt ihre ohnehin prekäre Lebenssituation aus dem Gleichgewicht.
Sozialökonom mahnt strukturelle Lösungen an
Sozialökonom Martin Schenk betont, dass die Krise durch die Teuerung bestehende Lücken und Fehlentwicklungen umso schmerzhafter offenbart. Die Studie macht klar, dass es nicht ausreicht, lediglich die Teuerung auszugleichen. Es ist entscheidend, strukturelle Probleme anzugehen, Armut zu verringern und die untere Mittelschicht dabei besonders im Blick zu behalten.
Armutsbetroffene gegen untere Mittelschicht
„Die Strategien der beiden befragten Gruppen unterscheiden sich insofern, als die Armutsbetroffenen die großen Schritte, die die Mittelschicht jetzt gerade machen muss, häufig schon in dem Augenblick hinter sich gebracht hat, als sie in Armut geraten sind“, analysiert Dawid. Die untere Mittelschicht hingegen macht durch die Teuerung große Schritte zurück, die ihre Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Der Verzicht, den Armutsbetroffene leisten müssen, ist oft objektiv winzig, aber subjektiv riesig.
Ohnmacht und Verlust in der unteren Mittelschicht
Die untere Mittelschicht hat mehr zu verlieren und spürt das aktuell auch. Die finanziellen Einbußen durch die höheren Preise, der Verlust an Lebensqualität sowie das Wegbrechen von Zukunftsplänen und -träumen lassen das Gefühl von Ohnmacht entstehen – ungewohnt für Menschen, die in einem Gefühl der ökonomischen Sicherheit und Stabilität lebten und außerdem stets Spielraum für die Gestaltung ihres eigenen Lebens und auch der Gesellschaft hatten.
Verlust an Lebensqualität und Zukunftsängste
Ihre Stimmungslage wechselt zwischen Frustration und Verzweiflung, Angst und Ärger. Die untere Mittelschicht ist in ihrer Empörung über die Teuerung, die ihre Situation so verschlechtert hat, lauter als die Armutsbetroffenen. Diese wiederum werden laut, wenn es um die Faktoren geht, die sie einst – schon vor Einsetzen der Teuerung – in Armut gebracht haben.
Krisenbewältigung in der Teuerungszeit
Die Strategien gegen die Teuerung sind vielfältig, reichen von mehr Arbeit über den Einsatz von Ersparnissen bis hin zum Aufbau von Schulden. Armutsbetroffene suchen Hilfe bei Familie, Freundeskreis und Nachbarschaft, nutzen Nothilfen von verschiedenen Einrichtungen oder erschließen alternative Geldquellen. Die untere Mittelschicht hingegen sieht sich mit dem Wegbrechen von Zukunftsplänen konfrontiert und spürt einen großen Verlust an Lebensqualität. Scham ist eine ständige Begleiterin der Armut, und die untere Mittelschicht bekommt es gerade zu spüren. Bei wohlhabenden Freunden wird oft geschwiegen, um sich nicht klein zu fühlen. Es herrscht eine große Sorge und Angst vor der öffentlichen Meinung.
Über die Teuerung hinaus
Die Studie verdeutlicht, dass es nicht ausreicht, die Teuerung allein auszugleichen. Die strukturellen Probleme müssen gelöst werden, um langfristig Armut zu verringern und die untere Mittelschicht zu schützen. Es ist entscheidend, die Stimmen dieser Bevölkerungsgruppen zu hören und ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen.