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Der Wahrheit auf der Spur: Was steckt wirklich hinter dem Lehrermangel?

Zahlreiche Lehramt-Absolventen stehen ohne Job da. Und das obwohl in den Medien oft über Lehrermangel berichtet wird. Warum verlassen Lehrer Kärnten? Wir haben bei der Bildungsdirektion nachgefragt.

von Nadia Alina Gressl
Nadia Gressl 5 Minuten
5 Minuten Lesezeit(1047 Wörter)

In den Medien liest man häufig über einen Lehrermangel und dass dringend Lehrer gesucht werden. In einem Artikel vom ORF steht, dass bis 2030 ungefähr 30 Prozent der Lehrer an Schulen in Österreich in Pension gehen. Das bedeutet, dass in den nächsten fünf Jahren somit 20.000 Stellen nachbesetzt werden müssen. Auch 5 Minuten hat berichtet: Wegen einer Pensionswelle droht ein Lehrermangel. In einem anderen Artikel wird die Suche nach Quereinsteigern ausgeschrieben, da es zu wenig Lehrkräfte in bestimmten Bereichen gibt. Auch die Krone hat berichtet: Im Schuljahr 2022/23 waren rund 4300 Quereinsteiger, ungefähr 1100 Lehramtsstudierenden und 40 bereits pensionierte Lehrer in Schulen am Unterrichten. 

Doch was sagen die Absolventen?

Immer mehr frischgebackene Lehrerabsolventen berichten, dass sie trotz ihres Abschlusses und ihrer Leidenschaft für den Lehrerberuf seit Monaten vergeblich nach einer Anstellung in Kärnten suchen. Verzweiflung und Frustration wachsen, während sie sich die brennende Frage stellen: Was nun? Warum herrscht ein vermeintlicher Lehrermangel, und dennoch scheinen qualifizierte Bewerber in diesem Bereich keine Chance zu haben? Wir haben zwei betroffenen Lehrerabsolventen interviewt und bei der Bildungsdirektion nachgefragt.

Masterabsolvent kämpft vergeblich um Lehrerstelle

Sebastian*, der kürzlich seinen Master in den Fächern Französisch* und Physik* erfolgreich abgeschlossen hat, befindet sich seit Mai/ Juni auf der verzweifelten Suche nach einer Anstellung an einem Gymnasium in Kärnten. Seine Bemühungen, sich über die Bewerbungsseite der Bildungsdirektion auf geeignete Stellen in seinem Fachbereich zu bewerben, blieben bisher ohne Erfolg. „Ich habe mich zuerst auf der Bewerbungsseite der Bildungsdirektion auf einzelne Stellen meines Fachs beworben, doch erhielt nie eine Zu- oder Absage, nicht einmal eine Einladung zum Bewerbungsgespräch war drinnen“, berichtet Sebastian* frustriert gegenüber 5 Minuten. „Ich habe sogar mit der Bildungsdirektion telefoniert und um Hilfe gebeten, aber mir wurde gesagt, dass sie mir leider nicht helfen können“, erzählt Sebastian* weiter. Angesichts dieser scheinbar ausweglosen Situation entschied sich Sebastian* schließlich, auch Bewerbungen an Mittelschulen einzureichen, in der Hoffnung, fachfremd unterrichten zu können. „Mir war es wichtig, einfach einen Job und einen Start in das Lehrerleben zu haben“, erklärt Sebastian*. Er ist weiterhin auf der Suche nach einem Job in der Lehrerbranche.

Isabell möchte endlich wieder nach Kärnten

Isabell*, die bereits seit drei Jahren mit ihrem Bachelorabschluss an einer Schule in der Steiermark arbeitet, versucht seit zwei Jahren verzweifelt, eine Stelle in Kärnten zu finden. Trotz ihres Engagements und ihrer Bereitschaft, in Kärnten zu arbeiten, blieb ihre Suche bisher ergebnislos. Sie nahm sogar in Kauf, täglich zwischen den Bundesländern zu pendeln, um ihrem Ziel näherzukommen. Doch auch in diesem Jahr, als sie versuchte, sich nach Kärnten versetzen zu lassen, stieß sie auf Ablehnung. Isabell* erzählt gegenüber 5 Minuten: „Oft bekomme ich zu hören: Du hast ja schon einen Job, du brauchst dich nicht für einen neuen bewerben.“ Dennoch ist ihr Wunsch, nach Kärnten zu ziehen, ungebrochen. „In Wien, der Steiermark und dem Burgenland ist es sogar ohne den Masterabschluss relativ einfach, eine Stelle an einem Gymnasium zu finden. Nur in Kärnten scheint dieses Unterfangen ein großes Problem zu sein“, berichtet sie weiter.

Wo bleiben die Absolventen?

Die Schilderungen von Sebastian* und Isabell* spiegeln ein weitverbreitetes Problem wider, das viele Absolventen in Kärnten betrifft. Sie berichten von Freunden und Bekannten, die trotz ihrer Qualifikationen und ihres Ehrgeizes Schwierigkeiten haben, Lehrerstellen in ihrem Fachbereich zu finden. Sebastian* erzählt von einer Freundin, die vor einem Jahr ihren Master in Deutsch* und Geographie* abgeschlossen hat und dennoch in Kärnten keine Anstellung als Lehrerin gefunden hat. „Trotz fertigen Master-Abschluss ist sie derzeit in einem völlig anderen Bereich beschäftigt“, erzählt Sebastian* gegenüber 5 Minuten. Isabell äußert ihren Unmut darüber, dass Quereinsteiger teilweise bessere Chancen auf Lehrerstellen zu haben scheinen, obwohl diese nur begrenzte pädagogische Ausbildung haben. „Dies steht im Kontrast zu Lehrabsolventen, die jahrelang für ihren Abschluss studiert haben und dennoch ohne Beschäftigung dastehen. Wir haben jahrelang auf diesen Job hin studiert und stehen jetzt leer da“, so Isabell* gegenüber 5 Minuten. Sebastian* weist zudem auf das Problem hin, dass viele Lehrer fachfremd unterrichten, was die Stellenknappheit in den betroffenen Fächern weiter verschärft.

Bildungsdirektion im Gespräch

In einem exklusiven Gespräch mit 5 Minuten äußerte sich Thomas Druck (Bedarfskoordinator der Bildungsdirektion) zu den Herausforderungen und Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Lehrerarbeitsmarkt in der Region. Druck betonte: „In Österreich herrscht in manchen Bundesländern ein schwerer Lehrermangel, in Kärnten selbst können wir hier von noch keinem wirklichen Lehrermangel sprechen“. Im Gespräch mit 5 Minuten verdeutlichte er, dass es Fächer gibt, die in Kärnten gut besetzt sind. „Überhaupt bei den Gegenständen Geschichte, Geografie und Sprachen, sowie Italienisch, Französisch und Deutsch sind wir in Kärnten echt gut besetzt und benötigen normalerweise keinen Nachschub“. Bei einer Ausschreibung bekommt die Bildungsdirektion oftmals auch 20 bis 30 Bewerbungen. „Da liegt es leider auf der Hand, dass manche Absolventen in diesem Bereich keinen Job finden“. Der Bedarfskoordinator erzählte gegenüber 5 Minuten, dass in Fächern wie Informatik, Sport und Bewegung, sowie Werken ein mäßiger Mangel an Lehrkräften besteht. Hier sei die Bewerberzahl deutlich geringer.

Initiativen und Quereinsteiger

Auch stellte Druck positive Initiativen vor: „Seit Oktober 2022 gibt es online eine Webseite namens klassejob.at. Hier gibt es einen Bedarfsrechner, bei dem ausgerechnet werden kann, welchen Lehrerbedarf es in den nächsten Jahren geben wird.“ Er hob hervor, dass auf dieser Plattform nicht nur Absolventen, sondern auch Quereinsteiger Informationen finden können. Quereinsteiger müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen, darunter einen Bachelor-Abschluss, fachliche Ausrichtung, dreijährige Berufspraxis und ein erfolgreich abgeschlossenes Eignungsfeststellungsverfahren. Die Bildungsdirektion erklärte gegenüber 5 Minuten die Rolle der Quereinsteiger: „Quereinsteiger werden bei Mangelbereichen eingesetzt, um den Bedarf zu decken und nicht, um Absolventen die Stellen wegzunehmen.“ Diese Quereinsteiger dürfen, nach erfolgreicher Zertifizierung, die Sekundarstufe 1-2 unterrichten, wodurch gezielt der Bedarf in bestimmten Lehrgebieten gedeckt wird. Abschließend betonte Druck, dass es in Kärnten seiner Meinung nach keinen expliziten Lehrermangel gibt, jedoch gezielte Maßnahmen in den Mangelbereichen ergriffen werden, um eine qualitativ hochwertige Lehrerversorgung sicherzustellen.

Begriffsdefinitionen

Was sind Quereinsteiger?

Der Begriff „Quereinsteiger“ bezieht sich auf Personen, die in einen Beruf oder eine Branche einsteigen, ohne die übliche oder traditionelle berufliche Ausbildung oder Qualifikation für diese Tätigkeit zu haben. Als „Quereinsteiger“ im Lehrberuf bezeichnet man Personen, die in den Lehrerberuf einsteigen, ohne eine traditionelle Lehrerausbildung oder ein Lehramtsstudium absolviert zu haben.

Was bedeutet „fachfremd unterrichten“?

„Fachfremd unterrichten“ bedeutet, dass eine Lehrkraft ein Fach oder ein Unterrichtsfach unterrichtet, für das sie nicht die primäre Ausbildung oder Qualifikation hat.

*Anmerkung: Namen und Unterrichtsfächer wurden auf Wunsch der Interviewten verändert, um Anonymität zu gewährleisten.

Hinweis: Dieser Beitrag wurde am 20.11.2023 um 09:05 Uhr aktualisiert
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