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/ ©APA/HELMUT FOHRINGER
Pilnacek soll heimlich aufgenommen worden sein

Vorwürfe gegen ÖVP: Heimliche Pilnacek-Aufnahme sorgt für Wirbel

Wenige Wochen nach dem Tod von Christian Pilnacek ist am Dienstag eine heimliche Tonbandaufnahme aufgetaucht, in der der zuletzt suspendierte Justiz-Sektionschef Vorwürfe gegen die ÖVP erhebt.

von APA/ RED
4 Minuten Lesezeit(792 Wörter)

Wenige Wochen nach dem Tod von Christian Pilnacek geriet eine Tonaufnahme, sie dürfte geschnitten sein, an die Öffentlichkeit. Das Gespräch soll Ende Juli bei einer abendlichen Runde im Wirtshaus ohne Pilnaceks Wissen aufgenommen worden sein. In dem Gespräch behauptet er, Interventionen der ÖVP in Ermittlungen abgewehrt zu haben, namentlich nennt er den früheren Innenminister und jetzigen Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka. Die ÖVP ortet „KGB-Methoden“. Die Grünen rechnen indes mit einem Untersuchungsausschuss.

„Ich kann es nicht, ich will es nicht“

Zudem kursierten Auszüge der Aufnahme als Abschrift. „Man verlangt, dass ich Ermittlungen einstelle. Das kann ich nicht, das mache ich nicht“, wird Pilnacek darin zitiert. „Da kamen ÖVP-Minister, selbst als eine Hausdurchsuchung bei der ÖVP schon stattgefunden hat, kam man zu mir und fragte, warum drehe ich das nicht ab?“ Er habe immer gesagt, „ich kann es nicht, ich mach es nicht, ich will es nicht“. Er habe kein einziges Verfahren beeinflusst, sagt Pilnacek. „Die ÖVP hat mir das zum persönlichen Vorwurf gemacht und gesagt, ‚du lässt deine Staatsanwälte gegen uns arbeiten‘.“

„Tiefpunkt der politischen Kultur“

Wolfgang Sobotka habe mit Pilnacek nie zu laufenden Verfahren, Ermittlungen oder Sicherstellungsanordnungen gesprochen, sagte ein Sprecher des Nationalratspräsidenten gegenüber dem „Standard“. „Wenn ein erst kürzlich, unter tragischen Umständen verstorbener Mensch nun in die Öffentlichkeit gezerrt werden soll, um politisches Kleingeld zu schlagen, dann werden wir uns an einem solch pietätlosen Akt nicht beteiligen“, betonte man weiters. Das „rücksichtslose Instrumentalisieren eines Menschen, der sich heute nicht mehr erklären kann, ist ein absoluter Tiefpunkt der politischen Kultur in unserem Land“.

Aufklärung gefordert

„Der Wahlkampf wirft bereits seine Schatten voraus“, reagierte auch die ÖVP-Bundespartei in einer Aussendung. „Mittels eines Tonbands wird nun sogar das Andenken an einen Toten missbraucht und instrumentalisiert“, kritisierte Generalsekretär Christian Stocker. „Ich bin offen gestanden sprachlos, dass seine Person nun dafür herhalten muss, politisches Kleingeld zu schlagen und die Skandalisierungskampagne der SPÖ und FPÖ voranzutreiben.“ Die Hintergründe zu dem Tonband und „den Methoden, die an den russischen Geheimdienst erinnern“, müssten aufgeklärt werden, forderte Stocker. „Wer es aufgezeichnet hat, was das Motiv ist, wer hinter diesen KGB-Methoden steckt.“

In die Falle gelockt?

Bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz Dienstagabend bekräftigte Stocker, dass Pilnacek wohl in eine „Falle gelockt“ worden sei. Gefragt, wie er sich die Widersprüche in Pilnaceks Aussagen erkläre, sagte Stocker: „Zum Inhalt dieses Tonbands werde ich mich nicht äußern“, sei es doch unter „dubiosen“ Umständen entstanden. Die Verantwortlichen vermutet Stocker jedenfalls in der Opposition: „Von wo kommt’s denn her, wenn nicht von der Opposition?“ Auf Anfrage machte Stocker außerdem klar, dass die ÖVP hinter Nationalratspräsident Sobotka steht, ein Rücktritt steht für ihn also nicht im Raum. Vom Grünen Koalitionspartner lag bis zum Abend keine Stellungnahme vor.

Neos wollen Sobotka-Rücktritt

NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos hatte zuvor Sobotka den Rücktritt nahegelegt. „Die Rede ist von Machtmissbrauch, Druck und versuchter Einflussnahme auf die unabhängige Justiz, durch ‚die ÖVP‘ als Ganzes und namentlich durch den zweithöchsten Mann im Staat.“ Es seien Vorfälle wie diese, „die das Vertrauen der Menschen, dass vor dem Gesetz jede und jeder gleich ist, zerstören“.

„Schockierend, aber nicht überraschend“

„Schockierend, aber leider nicht überraschend“ kommen die Aussagen Pilnaceks für die SPÖ. Die „Enthüllungen“ bestätigen für Finanzsprecher Jan Krainer, „was wir in zwei Untersuchungsausschüssen über den organisierten Machtmissbrauch des Systems ÖVP erfahren haben. Diese ÖVP ist immer noch die Kurz-ÖVP“, schrieb er in einer Aussendung.

Gift für die Demokratie

„Was das Tonband wieder einmal aufbringt ist, dass es früher offensichtlich ein Problem gegeben hat“, meinte deren Generalsekretärin Olga Voglauer in einer schriftlichen Stellungnahme – „dass es immer wieder die Versuche gegeben hat, dass man Einfluss auf die Justiz nimmt“. Dies gehe, wie dies auch in der Aufnahme angedeutet werde, mindestens ein Jahrzehnt zurück. „Das ist nichts Neues“, so Voglauer, aber: „Allein der Eindruck, dass das so gewesen sein könnte, ist Gift für eine Demokratie.“ Jetzt gehe es um Aufklärung, so Voglauer, im Justizministerium würden Schritte geprüft, um die Vorgänge in den vergangenen Legislaturperioden sinnvoll zu durchleuchten.

Pilnacek-Obduktion noch ausstehend

Pilnacek ist vor wenigen Wochen im Alter von 60 Jahren verstorben – 5 Minuten berichtete. Das Obduktionsergebnis steht noch aus. Der zuletzt suspendierte Sektionschef des Justizministeriums galt über lange Jahre neben dem jeweiligen Minister als mächtigster Mann im Justizministerium. Unter Türkis-Blau avancierte er zum Generalsekretär. Diverse Vorwürfe, unter anderem wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses, führten später zu seiner Suspendierung und mehreren Verfahren. Im einzigen abgeschlossenen Prozess wurde er freigesprochen. (APA/ RED 22.11.2023)

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