
Nächster Grazer Kindergarten steht vor Schließung
Erst vor einer Woche der Evangelische Kindergarten de la Tour und jetzt der Kindergarten in der Grabenstraße: Ein weiterer Kindergarten in Graz schließt heuer mit Ende des Kindergartenjahres. Man hofft noch auf eine Nachfolge.
Die 5 Minuten-Redaktion erreichte am Donnerstagvormittag, dem 18. Jänner, ein offener Brief mit einer weiteren Hiobsbotschaft für die Eltern von vielen Kindergartenkindern. Nachdem vor über einer Woche bekannt wurde, dass der Evangelische Kindergarten de la Tour im Sommer die Pforten schließt, folgt nun die nächste Kindergartenschließung. Dieses Mal ist der Kindergarten in der Grabenstraße betroffen.
„Ort der Gemeinschaft wird zerstört“
Für die Eltern der Kindergartenkinder ein Schock. „Dies ist eine Katastrophe“, schreiben die Eltern im offenen Brief. Für die aktuell 24 Kinder sei es ein „Ort, an dem Gemeinschaft gelebt“ wird, der aber nun „zerstört“ werden soll. „Zehn Kinder haben nicht Deutsch als erste Muttersprache, zwei autistische Kinder sind dabei, einige der Kinder haben schwierige soziale Hintergründe oder gravierende Traumata erlebt“ – und all jene, würden sich in der freundlichen Atmosphäre des Kindergartens wohlfühlen. „Deshalb stehen wir als Eltern geschlossen hinter unserem einzigartigen, wunderbaren, hoch engagierten Betreuungsteam und möchten alle Hebel in Bewegung setzten, um unseren geliebten Kindergarten zu retten“, heißt es.
Man hofft auf Nachfolge
In dem offenen Brief appellieren die am Ende an die Politik. Sie solle „augenblicklich absolut alles in ihrer Macht stehende in Bewegung setzen, um Lösungsmöglichkeiten zu finden, unsere und ähnliche Institutionen am Leben zu erhalten und auch zukünftig abzusichern.“ Im Falle des Kindergartens in der Grabenstraße haben die Förderungen aus öffentlicher Hand nicht ausgereicht, um den Betrieb über Wasser zuhalten. Wie sich der Geschäftsführer des Diakoniewerks Steiermark, Michael König, gegenüber „Mein Bezirk“ äußert, würde sich das Diakoniewerk mit Ende des Kindergartenjahres aus der Betriebsführung zurückziehen. Man hoffe aber dennoch auf eine Nachfolge für den Kindergarten.
Offener Brief
Als wir vor eine Woche die Nachricht erhalten haben, dass unser Kindergarten, der Kindergarten Diakoniewerk Grabenstraße, zum Sommer schließen soll, war unser erster Gedanke: Dies ist eine Katastrophe!
Wir sind tief erschüttert und entsetzt, denn dieser Kindergarten bedeutet so unendlich viel mehr für uns Eltern, unsere Kinder und das gesamte Betreuungsteam, als einfach nur Unterbringung auf Zeit. Wie kann es sein, dass gerade in Zeiten sozialer Krisen und Verunsicherungen ein Ort, an dem Gemeinschaft authentisch gelebt wird und tagtäglich mit viel Liebe und Engagement die Basis für eine gesunde, rücksichtsvolle, liebevolle Gesellschaft geschaffen wird, zerstört werden soll?
Mehr als Inklusion
Den Kindergarten besuchen zur Zeit 24 Kinder. Etliche der Kinder sind speziell dieser besonderen Einrichtung halber zugezogen oder haben aus anderen Kindergärten hierher gewechselt. Zehn Kinder haben nicht Deutsch als erste Muttersprache, zwei autistische Kinder sind dabei, einige der Kinder haben schwierige soziale Hintergründe oder gravierende Traumata erlebt. Doch wenn man den Kindergarten betritt, empfängt einen eine ruhige, freundliche Atmosphäre, Lachen und miteinander im gemeinsamen Spiel versunkene Drei- bis Sechsjährige. Wer die Gruppe erlebt, wird niemals erraten können, welche der Kinder die Schwierigkeiten betreffen, denn nach einem Jahr im Kindergarten sind Dank der achtsamen, individuellen Förderung selbst die autistischen Kinder nicht durch auffälliges Verhalten auszumachen. Und das, ohne dass dem einzigartigen Kindergartenteam hierfür extra Fördermittel zur Verfügung gestanden wären… Denn die herausragende Qualität unserer „Oase“, oder „2. Familie“, wie wir den Kindergarten nennen, ist es, jedes einzelne Kind in seinen Bedürfnissen und mit Blick auf seine Familiensituation zu sehen und zu begleiten.
Integration und Inklusion sind in Wahrheit nur notwendig, wenn ein Mensch als „anders“ oder „mangelhaft“ empfunden wird. Wird allerdings, wie hier, jedes Kind in seinem ureigenen Sein mit all seinen Besonderheiten angenommen, ist es automatisch ein gleichwertiges Mitglied der Gemeinschaft. Die von Jesper Juul geprägten vier Werte Authentizität, Gleichwürdigkeit, Integrität und Eigenverantwortung sind hier nicht nur Theorie, sondern werden tagtäglich gelebt. Einem Kind, das etwa ein unerwünschtes Verhalten zeigt, wird hier in Würde und auf Augenhöhe begegnet, sodass es selbst an der Lösung des von ihm ausgehenden Problems teilhaben kann. Dies bedeutet wahres Lernen und fürs eigene Handeln Verantwortung zu übernehmen.
Einrichtung mit Vorbildcharakter
Deshalb haben Einrichtungen wie der Kindergarten Diakoniewerk Vorbildfunktion für die Gesellschaft. Nicht zuletzt war der Kindergarten mehrere Jahre lang eine der wenigen Konsultationseinrichtungen des Landes Steiermark – das bedeutet, dass PädagogInnen aus vielen anderen Einrichtungen in unserem Kindergarten ausgebildet wurden, sich das funktionierende Betreuungskonzept live anschauen und davon lernen konnten. Jährlich kommen auch viele PraktikantInnen aus dem In-und Ausland zu uns, da der gute Ruf des Kindergartens und die außergewöhnliche Fachkompetenz der Leiterin Martina Royer, in Ausbildungseinrichtungen weit über die Steiermark hinaus bekannt sind. Frau Royer führt den Kindergarten nicht nur mit selten großer Sensibilität ihrem Team, den Kindern und Eltern gegenüber, sie wird auch seit Jahren regelmäßig in andere Einrichtungen eingeladen, um Fachvorträge über wertschätzende Kommunikation sowie bedürfnisorientierte Begleitung von Kindern zu halten. Dadurch leistet sie auch einen großen Beitrag für andere Institutionen.
Unser Kindergarten ist keine Einrichtung mit austauschbaren Personalien, sondern wird von einem Team getragen, in dem ein so schöner, offener, liebevoller, respektvoller, unvergleichbar bewertungsfreier Umgang gepflegt wird, dass alle Beteiligten unbedingt gemeinsam weitergehen möchten.
Erfolgsrezept authentische zwischenmenschliche Beziehungen
Der Erfolg des Konzepts basiert auf authentischen menschlichen Beziehungen zwischen dem fünfköpfigen Team, den Eltern und insbesondere den Kindern. Die Zerstörung dieser Einrichtung wäre folglich nicht nur eine persönliche Katastrophe für jeden von uns Beteiligten, sondern ein Armutszeugnis für die Werte der Politik und wegweisend für die Richtung, die die Gesellschaft an vielen Stellen gerade einschlägt. Viele der Eltern würden aufgrund fehlender gleichwertiger Einrichtungen ihre Kinder lieber zu Hause betreuen, als massive Abstriche in der Qualität der Betreuung hinzunehmen. Eine kurzsichtige Politik in den Bereichen Kinderbetreuung, Wertevermittlung und Gesellschaftsbildung durch große Gruppen mit suboptimalem Betreuungsschlüssel wird langfristig wie ein Bumerang auf uns zurückfallen und auf Jahrzehnte hohe Kosten für alle verursachen. Deshalb stehen wir als Eltern geschlossen hinter unserem einzigartigen, wunderbaren, hoch engagierten Betreuungsteam und möchten alle Hebel in Bewegung setzten, um unseren geliebten Kindergarten zu retten! Wir wünschen uns für uns und die zukünftige Gesellschaft, dass die Politik augenblicklich absolut alles in ihrer Macht stehende in Bewegung setzt, um Lösungsmöglichkeiten zu finden, unsere und ähnliche Institutionen am Leben zu erhalten und auch zukünftig abzusichern!
Die Eltern des Kindergarten Diakoniewerk Grabenstraße