„Cold Case“: Grazer Forscher lüften Geheimnis um Kleopatras Schwester
Forschern der Uni Graz ist es gelungen, das Rätsel um Arsinoë IV zu lösen. Die Untersuchungen wurden in einem Buch festgehalten, welches am 14. März in Wien präsentiert wird.
Das Skelett einer etwa 20-jährigen Frau, die vor mehr als 2000 Jahren in einem achteckigen Tempelgrab in Ephesos in der heutigen Türkei beigesetzt wurde, stellte die Wissenschaft lange Zeit vor ein großes Rätsel. Wer ist sie? Woher kommt sie? Warum bekam sie dieses prominente Grabmal? Auch der Archäologe Peter Scherrer von der Uni Graz und sein Kollege Ernst Rudolf suchten jahrelang nach der wahren Identität der Toten. „Wir haben immer vermutet, dass die sterblichen Überreste in diesem Grab zu Arsinoë IV gehören, der jüngeren Schwester der berühmten Kleopatra VII. Die beiden Frauen hatten zwar unterschiedliche Mütter, aber denselben Vater“, erklärt Scherrer.
DNA-Proben könnten weitere Personen identifizieren
In der modernen Kriminologie werden solche ungelösten Fälle als „Cold Case“ bezeichnet. Mithilfe neuer Erkenntnisse oder Technologien können sie aber wieder aufgerollt werden. Diese Werkzeuge helfen auch im Fall von Arsinoë IV: Die genaue Analyse von DNA-Proben ihres Schädels könnte nun dazu beitragen, bei künftigen Grabungen weitere Mitglieder dieses Königshauses zu identifizieren – vielleicht auch die letzte Ruhestätte der berühmten Kleopatra, der letzten Königin aus der mazedonisch-ptolemäischen Königsdynastie. In den Wirren des Alexandrinischen Krieges 48 und 47 v. Chr. spielte Arsinoë IV eine wichtige Rolle. Sie wurde gemeinsam mit ihrem Bruder auf der von Rom annektierten Insel Zypern von Gaius Iulius Caesar für kurze Zeit als Gegenkönigin zu Kleopatra eingesetzt. Caesar stellte sich aber hinter ihre mächtige Schwester Kleopatra und zwang die junge Frau an seinem Triumphzug 46. v. Chr. teilzunehmen. Arsinoë IV fand schließlich Asyl in Ephesos. Das war ihr letzter bekannter Aufenthaltsort. „Schließlich wurde sie etwa 41 v. Chr. im Auftrag ihrer mächtigen Schwester ermordet“, führt der Archäologe aus.
Anfängliche Vermutung konnte bestätigt werden
Bei archäologischen Grabungsarbeiten Anfang des 20. Jahrhunderts wurde ein einzigartiges Mausoleum freigelegt, das aufgrund seiner achteckigen Bauform als „Oktogon“ bezeichnet worden ist. Dieses Monument aus frühaugustinischer Zeit liegt in Ephesos an der „Kuretenstraße“, einer wichtigen Prozessionsstraße im Zentrum der Stadt. „Schon die Lage des Grabs reichte als Indiz aus, um die sterblichen Überreste der Frau einem hohen gesellschaftlichen Stand zuzuordnen“, betont Scherrer. Die Hypothese, dass es sich tatsächlich um Arsinoë IV handelt, wurde nach der Auswertung zahlreicher historischer Quellen dieser Zeit durch Scherrer und seinen Kollegen bestätigt.
Bisher keine verwertbare DNA
Das Skelett der Frau war jedoch unvollständig. 1929 wurde der Schädel aus der Grabkammer entnommen und war lange Zeit unauffindbar. Da aber Teile des originalen Mausoleums im Wiener Kunsthistorischen Museum stehen, nahm man an, dass sich auch der Schädel in Österreich befinden könnte. Und tatsächlich wurde auf Nachfrage der beiden Forscher ein Schädel aus dieser Zeit in der Sammlung des Departments für Evolutionäre Anthropologie an der Uni Wien im Dezember 2022 gefunden und nach alten Fotos identifiziert. Der Archäologe, Mediziner und Forensiker Ernst Rudolf sieht nun die Herausforderung, um, diesen zu bestätigen. Bisher ließ sich aus den Skelett-Knochen keine verwertbare DNA gewinnen, da Hangwasser diese nahezu ausgelöscht hat. Jetzt ruht die Hoffnung darauf, im Felsenbein des Schädels analysierbares Material zu isolieren. „Gelingt es, die DNA von Arsinoë IV zu entschlüsseln, ermöglicht uns das, sie mit Proben anderer Mumien oder Skelette in Ägypten zu vergleichen. So könnten wir eines Tages vielleicht das Grab Kleopatras, der berühmten und einflussreichen Königin, zweifelsfrei identifizieren“, zeigt sich Rudolf optimistisch.
Präsentation am 14. März in Wien
Die sorgfältigen Untersuchungen, die unter dem Schwerpunkt „Transmediterrane Verflechtungen – Bewegungen und Beziehungen im Mittelmeerraum und darüber hinaus“ an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Uni Graz durchgeführt wurden, mündeten in ein umfassendes Werk. Rudolf und Scherrer haben die Forschungsergebnisse in diesem Buch gebündelt. Die offizielle Vorstellung findet am 14. März 2024, um 18 Uhr, im Ephesos Museum der Neuen Hofburg in Wien statt – in Gegenwart von Bildungsminister Martin Polaschek.