
Kuschel-Therapie: Was steckt wirklich dahinter?
Skepsis, Schmunzeln oder Sex? Die Reaktionen und Verknüpfungen zu dem Begriff „Kuschel-Therapie“ fallen unterschiedlich aus. Kaum einer weiß, was wirklich dahinter steckt. Deswegen wollten wir es wissen und haben nachgefragt.
Digitale Kommunikation, Abstandsregeln und die Schnelllebigkeit dieser Zeit machen echten Körperkontakt zu einer immer selteneren Ressource. Dabei ist längst bewiesen, dass Nähe entspannt. Studien zeigen, dass das „Kuschel-Hormon“ Oxytocin Stresshormone reduziert. Dieses wir bei Berührung ausgeschüttet und das ist auch einer der Gründe, wieso die Menschen Martina Ronacher (49), aufsuchen. Die Grazerin ist Kuschel-Therapeutin.
„Eine echte Umarmung kann viel“
„Echte Berührung findet im Alltag nur selten statt“, weiß die Kuschel-Therapeutin, die in Graz Kuschel-Sessions zu je mindestens 60 Minuten anbietet. Im Alltag berühre man sich meist nur flüchtig. Nebenbei. Mit einer Kuschel-Therapie-Stunde sei das nicht zu vergleichen. Denn in erster Linie geht es dabei um Achtsamkeit: „Es sind bedingungslose Berührungen. Darüber hinaus geht es auch um das bewusste Geben und Empfangen von Berührung.“ Als Kuschel-Therapeutin ist Martina Ronacher dazu da, um Berührung zu schenken. „Der Kunde sollte sie empfangen. Doch alleine das fällt vielen bereits schwer.“
Kuschelvereinbarung bringt Schutz
Sie möchte das Kuscheln ent-tabuisieren, sagt sie, denn ihr ist bewusst, dass ihr Beruf im ersten Moment „speziell“ klingt. Doch hinter einer Kuschel-Einheit verbirgt sich mehr, als man vermuten würde: „Es geht um Fragen wie: Welche Berührungen mag ich? Welche mag ich nicht? Es ist für viele ungewohnt, dass sich das Gegenüber dafür interessiert, was sie wollen und was nicht.“ Es geht um das Erkennen der eigenen Bedürfnisse. „Gerade für Frauen“, weiß die Kuschel-Expertin, „ist das manchmal schwierig.“ In der Kuschel-Therapie geht es rein um Nähe, ohne jeglichen sexuellen Kontakt, betont Ronacher. Daher wird vor jeder Session eine Kuschel-Vereinbarung mit ihren Kunden getroffen.
„Sie wollte nicht am Kopf berührt werden“
In der Vereinbarung wird unter anderem festgelegt, dass die Kuschel-Therapie eine nicht-sexuelle Dienstleistung darstellt und die Intim-Zonen somit von Berührungen ausgeschlossen sind. „Es wird auch niemand zu etwas gezwungen“, betont die Kuschel-Expertin. Die Kuschel-Stunde beginnt immer mit einem Gespräch und der Frage, welche Berührung gewünscht ist. Auch das ist nicht immer einfach. Ronacher erzählt von einer Kundin, die Berührungen im Alltag gänzlich nicht zulassen konnte. „Speziell am Kopf war sie sehr empfindlich. Friseur-Besuche waren eine Qual.“ Durch ein achtsames Herantasten fand am Ende der Stunde sogar eine intensive Umarmung, ausgehend von der Kundin, statt.
Kuschel-Therapeuten kuscheln anders
Zu einer Kuschel-Theapie kommen unterschiedliche Menschen: „Manche, weil sie sich einsam fühlen. Manche, weil sie ihr Stress-Level senken wollen. Und wieder andere kommen auch mit einem Trauma zu mir.“ Ihr Kuschel-Angebot sei dabei eine nützliche Ergänzung zu einer Psychotherapie, erklärt Ronacher. Sie selbst kuschelt nun auch privat anders als früher, verrät sie. Der Gedanke, dass Mutter Martina mit fremden Menschen kuschelt, war für ihre eigene Familie anfangs natürlich ungewohnt. „Jetzt, nachdem mein Mann die Hintergründe versteht und erlebt, unterstützt er mich voll und ganz.“ Auch die (erwachsenen) Töchter profitieren nun von der neuen Expertise ihrer Mutter: „Die ‚gelernten‘ Umarmungen werden regelmäßig eingefordert.“