fbpx
Region auswählen:
Wirtschaft - Villach
Interview
Gerhard Angerer:
Gerhard Angerer: "Wir haben seit dem Jahr 2013 über 500 Flächen- und Suchanfragen bearbeitet und einige davon erfolgreich vermittelt!" © KK

Angerer ist überzeugt:

„Unser Branchenmix ist besser als ein EKZ“

Villach – Er arbeitet gemeinsam mit seinem Team an kreativen, guten Ideen, Events und Aktionen, motiviert und informiert Geschäftsinhaber und macht sich täglich Gedanken, Bewegung und Frequenz in die Innenstadt zu bringen. Die Rede ist von Gerhard Angerer, Geschäftsführer des Stadtmarketing Villach. Sein Job ist es, trotz einem Mini-Budget im Vergleich zu einem großen Einkaufszentrum für hunderte Shopinhaber bestmögliches zu erreichen. Wir trafen den Stadtmarketing-Chef zu einem Gespräch über die Konkurrenz zum ATRIO, sein Budget, die Maßnahmen, die Visionen und den Wandel im Handel.

 11 Minuten Lesezeit (1352 Wörter) | Änderung am 24.06.2016 - 10.03 Uhr
Im Namen „Stadtmarketing Villach“ steckt der Begriff Marketing. Die Stadt wird als Produkt gesehen. Was sind die Stärken deines Produktes?

Mit unserem Firmennamen Stadtmarketing GesmbH schüren wir möglicherweise eine Erwartungshaltung, die wir im umfassenden Verständnis des Begriffes nicht erfüllen können. Wir verstehen uns als Service-, Motivations-, und Emotionsdrehscheibe für unsere innerstädtisch angesiedelten Unternehmerinnen und Unternehmer und als „City Marketing“ für unsere heimischen Kundinnen und Kunden im Einzugsbereich. Ich denke, dass wir auch eine genauere Differenzierung der Begriffe „Stadtmarketing“ und „Marketing“ vornehmen sollten. Wir haben z.B. keinen Zugriff und nur eingeschränkte Kompetenzen auf das „Produkt Stadt“. In unserer heterogenen Stadt mit einer beachtenswerten Produktvielfalt ist es nötig, an Profil und Positionierung zu feilen. Spannend ist es auch darüber nachzudenken, welche Identität eine Stadt hat, wie diese geborgen und beworben werden kann. Der kleine aber feine Unterschied: „Marke ist geworden!“ und „Identität ist gewachsen!“.  Soviel zur Theorie, aber worin liegen nun die Stärken unserer Stadt wirklich? Übergeordnet sind die Stärken mit den Begriffen „Mentalität“, „Professionalität“ und „Lebensqualität“ zu umschreiben. Hier in eine notwendige Tiefe zu gehen und die Überbegriffe zu füllen würde sich in „5 Minuten“ nicht ausgehen!

Und die Schwächen?

Mangelnde Kooperationsbereitschaft auf vielen Ebenen! Dazu passt der Spruch: „Wir haben den Feind kennengelernt und der heißt Wir“ ganz gut!

ANZEIGE
Angerer: „Heute lautet die Herausforderung: Hausaufgaben machen!“

Angerer: „Heute lautet die Herausforderung: Hausaufgaben machen!“ - © KK

Woher kommt das Geld für das Budget des Stadtmarketing?

€ 560.000,- von unserem Gesellschafter Stadt Villach, weitere ca. € 150.000,- über diverse Erlöse und allfällige Sonderfinanzierungen bei neuen Projekten. 90% der Mittel sind gebunden, so z.B. für das Thema „Weihnachtsbeleuchtung“ – mit einem Betrag von derzeit genau € 200.000,–. Selbstverständlich sind unsere Managementkosten auch über dieses Budget abzudecken.

Reicht das für eine Stadt wie Villach überhaupt aus?

Im Vergleich zu EKZs sind die Mittel eher als gering einzustufen. Im Vergleich der österreichischen Stadtmarketing Organisationen spielen wir jedoch im oberen Drittel mit. Auch hier geht es um die Betrachtungsweise. Ein unmittelbarer Vergleich mit privatwirtschaftlichen Firmen, Konzernen etc. ist nicht zielführend da andere Rahmenbedingungen unser tägliches Arbeitsumfeld begleiten.

Was hat es mit dem Co-Quartier auf sich? Geht eure Arbeit nun schon so weit, dass ihr Betriebe ansiedelt?

Das Co-Quartier in der Lederergasse hat seinen Ursprung im Jahr 2008 und unseren Bemühungen, Immobilieneigner an einen Tisch zu bringen. Es folgt einem klassischen „Quartiersmanagementansatz“ und wächst mit Herzstück in der Lederergasse 15, mit einem professionellen Meetingraum, Miet-Arbeitsplätzen und bereits 18 Partnern, die hier kooperieren. Das Thema „Betriebsansiedelung“ liegt nicht bzw. nur ein Teilbereich am „Stadtmarketing Tisch“. Sehr wohl jedoch die Erhebungsarbeit leerer Geschäftsflächen, die Beratung potentieller Interessenten und eine Kontaktherstellung zwischen Flächenanbietern und Flächensuchenden. Dieser Job basiert vorwiegend auf persönlichen Gesprächen und über unser Geschäftsflächenmanagementsystem. So haben wir z.B. seit dem Jahr 2013 über 500 Flächen- und Suchanfragen bearbeitet und einige davon erfolgreich vermittelt.

ANZEIGE
“Ich denke wir sollten nicht nur von Stadtentwicklung reden, wir können auch Akzente setzen.”

“Ich denke wir sollten nicht nur von Stadtentwicklung reden, wir können auch Akzente setzen.” - © KK

Das Stadtmarketing Büro befindet sich in der Lederergasse. Auch das Co-Quartier ist hier. Gegenüber ein „Laufhaus“ und daneben ein „Sexylabyrinth“. Ein Planungsfehler oder Absicht von dir?

Natürlich war es Absicht, dass die Stadtmarketing GesmbH im Jahr 2011 in die Lederergasse gezogen ist. Ich denke wir sollten nicht nur von Stadtentwicklung reden, wir können auch (wenngleich nur bescheidene) Akzente setzen. Das war so ein Akzent! Im Übrigen befindet sich in der Lederergasse auch ein tolles Spielzeuggeschäft, Tagescafés, Yogastudio, Schönheitssalon, Qualitäts-Messershop, Logopäde, Friseur, Druckertankstelle und auch Abendgastronomie – ein schöner Mix mit uns und dem Co-Quartier.

Gibt es einen Kampf um die Kunden zwischen “Innenstadt” und “ATRIO” und damit auch einen Wettbewerb Gerhard Angerer gegen Richard Oswald (Anmerkung: Oswald ist GF des Shoppingtempels ATRIO)?

Schon mal was von „Vogelperspektive“ gehört? Je tiefer wir „fliegen“, desto trennender unsere Arbeit, je „höher“ desto gemeinsamer ist es notwendig, den Standort zu bewerben. Ein Beispiel ist z.B. eine gemeinsame Adventbewerbung in Italien. Und nachdem ich überzeugt bin, dass „alle Wertschöpfung aus eigener professioneller Dienstleistung erwächst“, halte ich von solchen persönlichen Wettbewerbsgedanken nicht viel.

Wäre es nicht sinnvoll die Touristen die ins ATRIO kommen, auch für die Innenstadt zu lukrieren und dort zu Werben? Immerhin werben die ja mit “shopping senza confini” und ziehen viele Italiener an.

Machen wir natürlich immer wieder – siehe Italienkooperation. Vor einiger Zeit haben wir auch an den Interspar-Kassen für unseren City Bonus geworben. Eingeschränkt werden wir durch unsere budgetäre Situation. „Innenstadtselbstbewusstsein“ heißt aber auch, die Frage zu stellen, welche werblichen Synergien wir im Sinne unseres gemeinsamen Handelsstandortes Villach mit allen (!) Villacher Einkaufs- und Fachmarktzentren ausschöpfen können.

Wie siehst du die Innenstadt in 10 Jahren?

Bis dorthin haben wir die Talsohle in der Innenstadt überschritten. Das heißt nicht, dass der „Wandel im Handel“ nicht mehr vorhanden ist, aber das wir bis dorthin von den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben sollten und wir a) sensibler für Trends (rascheres Reagieren), b) selbstbewusster im Auftreten und c) stark in der Kooperation sein werden. Heute lautet die Herausforderung: Hausaufgaben machen!

Eine Hypothese: Wenn du die Chance hättest morgen ein Geschäft zu eröffnen, was würdest du verkaufen und in welcher Straße oder Gasse wäre dein Standort?

Die Frage wäre doch, was wir brauchen um den vorhandenen Branchenmix abzurunden und nicht was ich mir persönlich wünsche! Übrigens: Der innerstädtische Branchenmix ist besser als der von allen Einkaufszentren gemeinsam! Und auf die Frage der Lage zu antworten: Es kommt doch immer auf das Betriebskonzept an, welcher Standort zu welchem Typus am besten passt. Natürlich auch auf die Mietpreise, das Umfeld, das persönliche Gefühl, die Situation um den öffentlichen Verkehr, u.v.m.

Und was würdest du dir als Geschäftsinhaber dieses Stores dann vom Stadtmarketing Villachs erwarten?

Solide Basisarbeit, seriöse und ehrliche Informationen über den Standort, „knackige“ Kooperationsangebote und keine Wunder!

Glaubst du alle Shopinhaber in Villach sind mit deiner Arbeit zufrieden? Immerhin gilt es hunderte Interessen in einen Topf zu kriegen.

Nein, es wäre naiv anzunehmen, dass alle mit unserer Arbeit zufrieden sind! Aber ich stehe in meiner Mitte und habe ein absolut stimmiges Gefühl, dass wir gute Arbeit leisten. Besser werden ist auch erlaubt, in vielen Fällen stelle ich jedoch fest, dass fehlende Information Grund einer unzufriedenen Haltung ist. Über Stammtische, Unternehmerabende und persönliche Gespräche versuchen wir hier Angebote zu schaffen.

ANZEIGE
Das Stadtmarketing Büro in der Villacher Lederergasse: hier agiert ein Team rund um Gerhard Angerer und setzt auch zahlreiche Projekte wie den Blumenmarkt, die Automobile oder andere Veranstaltungen zur Belebung der Innenstadt um.

Das Stadtmarketing Büro in der Villacher Lederergasse: hier agiert ein Team rund um Gerhard Angerer und setzt auch zahlreiche Projekte wie den Blumenmarkt, die Automobile oder andere Veranstaltungen zur Belebung der Innenstadt um. - © KK

Würdest du rückblickend auf die wichtigsten Projekte, Aktivitäten und Umsetzungen, die du als Stadtmarketing GF durchgeführt hast, alles wieder gleich machen oder gab es auch Dinge, die du nicht mehr angreifen würdest?

Auch das wäre naiv zu behaupten, dass vergangene Maßnahmen und Projekte nicht verbesserbar sind. Jedoch hat es immer einen Grund, warum Entscheidungen so sind, wie sie eben getroffen wurden. Solange diese individuellen Gründe in der persönlichen Beurteilung nicht berücksichtigt wurden, sind Diskussionen darüber oberflächlich und schwer zu entgegnen. Manchmal frage ich mich, ob solche „Hintergrundinfos“ überhaupt erwünscht sind?

Die Villacherinnen und Villacher hören und lesen immer vom neuen „Kraftpaket“ für die Altstadt – steckt hier das Stadtmarketing dahinter?

Es wäre vermessen anzunehmen, dass wir diese vor uns stehende Aufgabe alleine bewältigen können. „Dahinter steckt“ ein umfangreiches Vorhaben seitens unseres Hauptgesellschafters der Stadt Villach. Inhaltlich handelt es sich aus meiner Sicht um ein koordiniertes „Maßnahmenbündel“ für die nahe Zukunft zu den Themenfeldern Standortwissen, strategische Ausrichtung, kreative Infrastrukturansätze, koordinierte Angebotspolitik, Synergien nutzende Strukturen, zielgerichtetes Förderwesen und Einiges mehr. Wir betrachten uns als kleines, jedoch nicht unwesentliches Zahnrad in diesem innerstädtischen Uhrwerk.