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Leben - Klagenfurt
Eines seiner jüngsten Werke trägt den Titel „Mein Leben als Hofnarr. Es ist verdammt hart, Egyd Gstättner zu sein
Eines seiner jüngsten Werke trägt den Titel „Mein Leben als Hofnarr. Es ist verdammt hart, Egyd Gstättner zu sein". © Helge Bauer

DAS ist Kärnten

Egyd Gstättner: „Entweder eine ´Kretzn´ oder kein guter Literat“

Klagenfurt – Der Klagenfurter Egyd Gstättner (58) zählt zu den bekanntesten und wichtigsten Schriftstellern des Literaturlands Kärnten. Dabei präsentiert er sich auch als durchaus streitbar und in vielerlei Hinsicht besonders…

 8 Minuten Lesezeit (1065 Wörter)

Von Lukas Moser. Zu schreiben begann Egyd Gstättner bereits in der Schulzeit: „Das war damals eine Art Notwehr gegen die schlimme Realität in der Pubertät und lebensrettend, etwa als Widerstand und Kampf gegen Autoritäten oder in Bezug auf die erste Liebe, die für einen Literaten unglücklich sein sollte, weil sie Stoff liefert. Ansonsten würde man sie ja ausleben und nicht darüber schreiben.“

Die Doktorarbeit als eine Art Alibi und Pausenfüller

Mit der Universität – er studierte in Klagenfurt u.a. Germanistik, Philosophie und Psychologie – pflegte er immer ein ambivalentes Verhältnis, hat er sich doch das meiste des in dieser Zeit Erlernten selbst angeeignet: „Das, was ich der Uni am meisten zu verdanken habe, ist Freizeit, um mich selbst entwickeln zu können.“ So wäre sein Lehramtsstudium nur das „bürgerliche Alibi“ gewesen, bis er für den „Größenwahn“, als Schriftsteller leben zu wollen, nicht mehr ausgelacht wurde. Als er auf das Pflichtpraktikum nach dem Studium ein Jahr warten musste, begann er kurzerhand ein Doktoratsstudium und ging drei Jahre später mit der fertig gebundenen Arbeit zu seinen Doktorvätern, die bis dahin nichts von seinem Vorhaben wussten: „Für die Dissertation, also das angebotene ´Kind´, nahmen sie die Vaterschaft aber an.“

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Egyd Gstättner – der Genussmensch.

Egyd Gstättner – der Genussmensch. - © Helge Bauer

An die 40 Bücher schrieb er bereits, doch vielen Menschen ist er auch durch seine Zeitungsbeiträge bekannt. Er selbst sieht dies zweischneidig: „Einerseits erreicht man in den Zeitungen natürlich mehr Menschen, und meine Kolumnen und Satiren sind ja auch literarisch gestaltet, andererseits wäre es aber trotzdem schön, wenn alle auch meine Bücher lesen würden.“ Bereits während des Studiums publizierte er Texte in Zeitungen und Zeitschriften, jedoch in erster Linie überregional, da in Kärnten die Möglichkeiten gering waren: „Eigentlich bin ich über das Ausland publizistisch in die Heimat zurückgekommen.“ Die Frage, welches seiner Bücher denn sein liebstes sei, beantwortet er galant: Es sei immer jenes, das noch unveröffentlicht auf seinem Schreibtisch liege: „Dieses befindet sich noch im pränatalen Stadium und erfordert daher die größte Zuneigung. Am Ende liebe ich sie aber alle, sie sind ja meine Kinder.“

„Mein Eigensinn? Im Grunde wie bei Falco“

Kärnten stand und steht in Verbindung mit vielen berühmten Literatinnen und Literaten, der Großteil verließ das Bundesland jedoch. Nicht aber Gstättner, der grundsätzlich immer hier bleiben möchte: „Ich bin ein Berg, und der Berg geht nicht weg, da sollen die Propheten halt zu mir kommen.“ Angesprochen auf den Vergleich mit Falco, der ja ebenso nicht hinaus in die „große Welt“ gehen wollte, nur um mehr Erfolg zu haben, fühlt er sich geehrt: „Hans Hölzel hatte einen unglaublichen Eigensinn, wollte sich treu bleiben und lehnte deshalb Karrierezugeständnisse und Regeln ab – und das ist bei mir im Grunde ganz gleich.“ Seit 2016 besitzt der Literat, dessen Bücher nicht selten einen ausgeprägten Kärnten- und Klagenfurt-Bezug aufweisen, zwar einen zweiten Wohnsitz in Wien, diesen will er jedoch eher als „eine Art Briefkastenfirma“ verstanden haben. Schmunzelnd meint er: „Diesen Wohnsitz behalte ich mir als Drohung vor, falls es mir in Kärnten doch einmal zu bunt werden sollte.“

„Entweder eine große ´Kretzn´ oder kein guter Literat“

In seinem Urteil zu Literaturschaffenden erkennt man seine ausgeprägte satirische Ader: So wären die guten Autoren menschlich meist „die größten Kretzn“, während die sympathischen Typen meist mittelmäßig oder untermittelmäßig schreiben: „Die Frage ist nun, wo man mich da sieht“, meint er augenzwinkernd. Abgehoben präsentierte sich Gstättner nie. Er schreibt auch über den KAC, nennt sich selbst Fan der Klagenfurter Austria, liest in Schulen und kommentiert regelmäßig das Kärntner Alltagsgeschehen. Dieser Zugang unterscheidet ihn von vielen seiner Kolleginnen und Kollegen im Literaturbetrieb: „Ein Autor ist ja immer auch ein Bürger, ein Citoyen, also ein homo politicus, der im Fall der Fälle auch auf die Barrikaden geht. Zu viele meiner Kolleginnen und Kollegen leben in einem ´Elfenbeinturm´.“ Karl Heinz Fessl

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Wiener Vorlesungen

Wiener Vorlesungen - © (c) Claudia Gstättner

Dass er von seinen über 500 Lesungen lediglich zwei im Klagenfurter Musil-Institut halten durfte und auch um diese hart zu kämpfen hatte, sei sinnbildlich: „Damals war die Hütte brechend voll, aber die darauffolgenden 10 Jahre habe ich von dort wieder kein Signal bekommen.“ Generell hätten, meint der Literat, zu viele Germanisten lediglich „ihre persönlichen Vorlieben und außerdem Scheuklappen“. Gegen diese Vorlieben nimmt sich Gstättner jedoch keineswegs ein Blatt vor den Mund: Peter Handke zerlegt er in seinem jüngsten Roman „Mein Leben als Hofnarr“ (2019) , in dem er auch Josef Winkler auftreten lässt, dessen Werke er als „bildmächtig, aber gedankenarm“ empfindet.

„Egyds Büro“ – ein anonymes Denkmal am Wörthersee

Ein kleines Denkmal setzte ihm ein anonymer Verehrer aus der Bevölkerung an der Wörthersee- Promenade zwischen Klagenfurt und Krumpendorf. Als er sich einmal in einem seiner Werke („Das Mädchen im See“ 2005) selbst an diesem Platz über das am gegenüberliegende Ufer liegende Komponierhäuschen Gustav Mahlers sinnierend beschrieb, brachte er ins Spiel, dass er zwar nie ein solches besitzen werde, aber vielleicht ja ein kleines Messing-Täfelchen mit der Aufschrift „Egyds Büro“. Dies nahm eine bis heute unbekannte Person zum Anlass, um ein solches tatsächlich  anzubringen, und als die Tafel 2016 einmal gestohlen wurde, brachte man zu Gstättners Überraschung postwendend eine neue an – wiederrum anonym.

Im Privaten stehen Kunst und Kultur bei ihm ebenfalls hoch im Kurs: Seine Frau arbeitet als Buchhändlerin, seine ältere Tochter (28) ist studierte und mittlerweile selbstständige Kunstdesignern in Graz und seine jüngere Tochter (22) studiert in Wien gerade Publizistik und schwenkt in Richtung Theater, Film und Medien. Eines seiner jüngsten Werke trägt den Titel „Mein Leben als Hofnarr. Es ist verdammt hart, Egyd Gstättner zu sein“. Kärntnerinnen und Kärntner würden zu großen Teilen jedoch behaupten: Es ist verdammt schön, von Egyd Gstättner zu lesen!

Fortsetzung folgt

Fortsetzung folgt: Im Rahmen von „DAS ist Kärnten“ holen wir bemerkenswerte Kärntnerinnen und Kärntner vor den Vorhang. Du kennst auch einen besonderen Menschen aus unserem Bundesland? Dann sende uns deinen Vorschlag an [email protected].