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Leben - Kärnten
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Muslimischen Jugend Österreich in Kärnten

Samra Malić: „Wir wollen den radikalen Islam aufbrechen“

Kärnten – Samra Malić (26) ist gläubige Muslima und als solche auch Landesvorstandsmitglied in der Muslimischen Jugend Österreich in Kärnten. In „DAS ist Kärnten“ sprach sie mit uns über ihren Weg zum Glauben, ihre Sicht auf Homosexualität und Andersgläubige, aber auch über das Verhältnis zu ihrem Mann…

 10 Minuten Lesezeit (1206 Wörter) | Änderung am 24.05.2021 - 11.05 Uhr

Von Lukas Moser. Oft gibt es landläufig den Vorwurf, junge Muslime würden von ihren Eltern in ein religiöses und traditionelles Regelwerk gezwängt werden. Malić ist jedoch der lebende Gegenbeweis. Nie sei ihr von zu Hause etwas dahingehend vorgeschrieben worden, sie habe sich immer frei entfalten können: „Meine beiden Elternteile haben geraucht und ich hätte es auch dürfen, aber da habe ich mich selbst dagegen entschieden.“ Ein Problem war für sie, dass sie sich nirgends so richtig zu Hause fühlen hat können: „Ich bin nach Bosnien gefahren und war eine Fremde und auch in Österreich haben mich viele als eine solche gesehen.“ Im Zusammenhang damit ärgert es sie besonders, wenn alteingesessene Österreicher sie dafür loben, meist ohne dies gemein zu meinen, wie gut sie Deutsch spricht.

„In der Jugend ganz normal fortgegangen und Spaß gehabt“

Malićs Eltern kamen bereits vor dem Jugoslawien-Krieg nach Österreich und haben sich erst hier kennenlernt. Hass bekam sie selbst aufgrund dieser Herkunft noch nie zu spüren, ganz im Gegenteil: So passte auf sie nicht selten die Nachbarin ihrer Eltern auf, die ihrerseits serbischen Ursprungs war. Trotzdem ist unbestritten, dass die bosnische Community in Kärnten einen besonderen Zusammenhalt zeigt. Dies habe laut ihr auch im Schulischen den Ausgangspunkt, denn die meisten christlich geprägten ethnischen Gruppen würden den Religionsunterricht gemeinsam besuchen, Bosnier als Muslime jedoch unter sich und das schweiße unbewusst auch zusammen. Ob es einer jungen Frau nicht schwerfällt, (streng) religiös zu leben und dadurch auf viele Dinge verzichten zu müssen? Sie relativiert: „Ich bin in der Jugend ganz normal fortgegangen und habe meinen Spaß gehabt, auch wenn ich auch damals schon keinen Alkohol getrunken habe.“ Sie entschied sich bewusst gegen Komasaufen und exzessive Partys, stattdessen wollte sie etwas für die Gesellschaft tun: „Alkohol habe ich noch nie konsumiert, außer einer Rumkugel, die ich aus geschmacklichen Gründen aber gleich wieder ausgespuckt habe.“

Arbeit an einer österreichisch-islamischen Identität

Nach ihrer Matura 2013 kam sie über Umwege zur Muslimischen Jugend Österreich (MJÖ): „Ich habe es einfach cool gefunden, denn es ging in erster Linie um Freizeitgestaltung für Jugendliche.“ Dabei stehe das seelische, etwa beim gemeinsamen Lesen, aber auch das körperliche Wohlbefinden im Zentrum – dass auch die Frauen dort Fußball, Volleyball oder Basketball spielen und gemeinsam schwimmen gehen, betont Malić gerne. So war das aktiv Religiöse für sie am Anfang eigentlich nicht im Fokus. Der Grund dafür war, dass sie dies von ihrer Familie nie so mitbekommen habe: „Wir sind sehr locker aufgewachsen.“ Wichtig war ihr aber in weiterer Folge auch, dass sie sich in der MJÖ für die Gesellschaft engagieren, sich aber auch für die Stärkung einer österreichisch-islamischen Identität einsetzen konnte. Ob das nicht für viele ein Widerspruch sei? Malić: „Für mich und meine Freundinnen ganz und gar nicht. Man soll doch beides leben und miteinander verbinden können.“

„Wir wollen den radikalen Islam aufbrechen“

An der MJÖ gefällt ihr insbesondere der verbindende und Grenzen überwindende Charakter, denn während die Moscheegemeinschaften in Österreich noch immer sehr stark ethnisch getrennt sind, etwa in arabische, türkische oder bosnische, sei dies bei der Muslimischen Jugend ganz anders: „Die meisten von uns sind hier geboren und aufgewachsen. Alle sehen sich als jugendliche Österreicher.“ Generell wäre es für sie auch schön, wenn die erwachsenen Muslime näher zusammenrücken würden und die ethnische Trennung in ihrer Generation überwunden werden könnte. Ein weiteres Ziel sei es laut ihr, den „radikalen Islam aufzubrechen“, denn nichts von dem, was sie oder ihre Freundinnen tun, hätte auch nur im Entferntesten etwas mit dem zu tun, was etwa der Islamische Staat im Namen des Islam verbricht …

Wie sie dazu steht, dass manch muslimische Länder stark gegen sog. Randgruppen, etwa Homosexuelle, vorgehen? Persönlich würden sich die beiden Gruppen laut ihr bestens verstehen, denn beide wüssten nur zu gut, wie es sich als Minderheit lebt. „Aber ich möchte nicht immer gefragt werden, wie ich als österreichische Muslima etwa zu Saudi Arabien Stellung nehme. Ich frage ja auch keinen christlichen Österreicher aufgrund seiner Ethnie und Religion, wie er zum Terroristen Breivik steht.“ Genauso ärgert es sie, wenn ihr jemand das Kompliment macht, wie gut sie eigentlich Deutsch spreche – immerhin ist sie in Österreich geboren und aufgewachsen.

Die Moschee zum Chillen und als „Party-Ort“

Die Moschee ist für sie keineswegs nur ein ruhiger Tempel zum Beten. Viel mehr trifft sie sich dort oft mit ihren Freundinnen, um zu chillen. Zum Ende des Ramadan finden dort schöne Feiern statt, denn das gemeinsame Feiern sei etwas ganz Besonderes: „Muslime gehen davon aus, dass Belohnungen durch die Gemeinschaft vervielfacht werden und dem werden wir sehr gerne gerecht.“ Sie meint, dass der Islam durchaus als „cool“ angesehen werde, insbesondere bei heutigen Jugendlichen: „Auch wenn sie allermeist null Ahnung davon haben, was die Wörter bedeuten, imitieren sie oft Deutschrapper, die sich muslimisch-arabischer Floskeln bedienen.“ Dies habe sie insbesondere während ihres Praktikums gemerkt. Seit wenigen Monaten ist sie fertig ausgebildete Lehrerin für die Sekundarstufe in den Fächern Englisch und Deutsch. Nebenbei arbeitet sie aktuell auch bei der Buchhandlung Heyn in Klagenfurt.

Die MJÖ in Ausschwitz

Gerade fielen im Zuge der Palästinenser-Demos auch muslimische Demonstranten mit antisemitischen Aktionen auf. Ein Umstand, der Malić extrem aufstößt: „Wenn vor Synagogen antisemitische Botschaften gerufen werden, weil man gegen Israel demonstrieren will, ist das einfach falsch.“ Nicht umsonst veranstaltete die MJÖ das Projekt „Musliminnen gegen Antisemitismus“, wo unter anderem auch ein Ausflug nach Ausschwitz stattfand, an dem auch Malić bereits teilnahm. Generell liege ihr Jerusalem aber sehr am Herzen, wie sie auch einmal im Leben nach Mekka pilgern würde: „Man trifft dort total viele verschiedene Menschen, mit unterschiedlichen Sprachen, Hautfarben und Nationalitäten, aber alle haben dasselbe Ziel.“

Von meinem Mann würde ich mir nie ein Kopftuch vorschreiben lassen

Seit 2018 ist Malić mit ihrem Mann, ebenfalls u.a. in der MJÖ engagiert, verheiratet. Er arbeitet im sozialen Bereich, studierte zuvor Soziale Arbeit und beschäftigte sich stark mit den Ursachen von Radikalisierung. Wie weltoffen und zukunftsorientiert sie ihre Ehe leben, zeigt beispielsweise die Tatsache, dass er sogar in Karenz gehen, während sie nach der Geburt eines Kindes arbeiten können würde. Malić stellt auch klar: „Er würde nie etwas von mir verlangen, das mich in meinen persönlichen Entscheidungen einschränkt.“ Ebenso unerwartet ist ihr Bekenntnis, sich als stolze Muslima und Feministin zu definieren. Immer wieder wird die Rolle der Frau im Islam ihrer Meinung nach missverstanden. Sie nennt mehrere Koran-Zitate, die eigentlich zeigen, welch hohe Stellung die Frau dort eigentlich hat. Am Ende hat Malić eine Einladung für alle Kärntnerinnen und Kärntner parat: „Moscheen sind prinzipiell für alle Menschen offen, ihr Glaube spielt dabei keine Rolle.“ So gäbe es etwa auch einen christlich-muslimischen Dialog, im Zuge dessen man sich gegenseitig besucht und kennenlernt. Im Dialog würden viele Vorurteile abgebaut werden können und so hofft sie, dass durch mehr Toleranz auch Missstände verschwinden könnten…

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„Malić gibt Nachhilfe im Rahmen de Projekts „Fasten-Teilen-Helfen““

„Malić gibt Nachhilfe im Rahmen de Projekts „Fasten-Teilen-Helfen““ - © KK