Der Kampf gegen sich selbst und die Zeit
Um das große Ziel zu erreichen, einmal im Leben die Finishline zu überqueren, sich frenetisch feiern zu lassen und die Medaille umgehängt zu bekommen, müssen Zeitlimits erreicht werden: Nach 17 Stunden müssen alle drei Disziplinen absolviert worden sein, doch auch für jede der Sportarten gibt es Zeitschranken. So müssen die Athleten spätestens nach zwei Stunden und zwanzig Minuten aus dem Wasser sein, also die 3,8km absolviert haben.
Bogdan Chiper: Vom Last Swimmer zum souveränen Finisher
Knapp 40 Minuten hatte der letzte Schwimmer noch Zeit, um den einen Kilometer vom Eingang des Lendkanals bis zum Schwimmausstieg beim Seepark Hotel zu absolvieren. Bereits Minuten zuvor wartete die Familie des Rumänen Bogdan Chiper am Eingang des Lendkanals. “Is that the last swimmer?”, fragte einer von ihnen besorgt, als ein ihnen nicht bekannter Athlet zu sehen war. Sie konnten weiter hoffen, ein weiterer soll sich noch durch den Wörthersee kämpfen. Und tatsächlich: Wenig später schwamm Bogdan bei Schloss Loretto vorbei, seine persönlichen und fremde “Fans” jubelten.
Begleitet von Streckenposten und Rettungsschwimmern in Booten und auf SAPs versuchte sich Bogdan im Kampf gegen die Zeit. Die ihn anfeuernden Menschen am Gehweg gingen weit schneller, als er schwimmen konnte. Doch er schaffte es: Nach zwei Stunden und sechs Minuten stieg er aus dem Wasser, freute sich sichtlich und durfte die nächste Disziplin in Angriff nehmen. Wer den Sport kennt, weiß jedoch: Wer beim Schwimmen so zu kämpfen hat, verliert Kraft und hat es beim weiteren Rennen umso schwerer. Um Bogdan Chiper musste sich jedoch an diesem Tag niemand mehr Sorgen machen: Bereits nach insgesamt sieben Stunden stieg er vom Rad und beendete das Rennen nach 13 Stunden und 13 Minuten.
Kurt Lichtkoppler: Zwei platte Reifen gleich zu Beginn
Ein anderes Drama mit glücklichem Ausgang spielte sich auf der Radstrecke ab: Der Wiener Kurt Lichtkoppler stieg nach einer Stunde und drei Minuten aus dem Wasser und schmiss sich auf das Bike. Nach wenigen hundert Metern dann jedoch der Schock: Ein platter Reifen stoppte sein Rennen, er musste eigenständig versuchen, das Renrad wieder in Stand zu setzen. Zwar waren ringsum dutzende Helfer der Motorrad-Hilfstruppe zur Stelle, das Reglement besagt jedoch, dass der Athlet nur selbst den Reifen wechseln darf – die Helfer konnten nur behilflich sein, indem sie ihm Rad hielten.
Nach offensichtlich großen Anstrengungen und großem Zeitverlust konnte Kurt sein Arbeitsgerät aber wieder fit machen und die 180 Kilometer in Angriff nehmen. Dass ihm wenig später erneut ein Reifenschaden passieren sollte, hinderte ihn aber nicht daran, das Rennen mit einer Zeit von zehn Stunden und 24 Minuten zu Ende zu bringen.
Ami David-Pour: Rennen von Beginn an am Limit
Den wohl größten Kampf des Tages konnte man aber beim Israeli Ami David-Pour miterleben: Nach einer Stunde und fünfzig Minuten stieg er aus dem Wasser, hatte somit eine halbe Stunde Puffer. Nach neun Stunden und vierzig Minuten stieg er vom Rad und hat damit für die zweite Disziplin ziemlich exakt so lange benötigt, wie er höchstens Zeit hatte – der Puffer vom Schwimmen verhinderte das verfrühte Scheitern. Die letzte Disziplin sollte dem Israeli aber noch einmal alles abfordern: Um 7.31 Uhr startete der Athlet, musste also spätestens um 12.31 Uhr die Ziellinie überquert haben.
Begann er das erste Viertel des Marathons zeitlich noch gut, folgte bald der Einbruch und ein Blick auf die Hochrechnung zeigte: Das Durchschnittstempo verspricht ein Minutenduell mit der Uhr. Kommt der sich durch den Kurs kämpfende Ami David-Pour vielleicht erst nach etwas mehr als 17 Stunden ins Ziel? Der Kampf wäre umsonst gewesen, er dürfte sich nicht als Ironman bezeichnen, bekommt keine Medaille.
Last Finisher als einer von 1.034 Siegern des Tages
Als der vorletzte Athlet die Ziellinie überquert, machen sich einige Helferinnen und Helfer kurzerhand auf den Weg und laufen dem Israeli entgegen, wollen den Kämpfer am letzten Stück noch pushen. Bereits zuvor mobilisierte er seine Kräfte, erhöhte sein Tempo und nahm auf den letzten zwei Kilometern noch einmal so richtig sein Herz in die Hand: Umringt von Helferinnen und Helfern, sowie seinen Angehörigen, “flog” Ami sprichwörtlich dem Ziel entgegen und bog schließlich noch eindeutig rechtzeitig auf die letzte Gerade seines “Arbeitstages”: Trotz des Starkregens kurz zuvor und strengen Corona-Auflagen waren noch dutzende Menschen im Zielbereich, die dem Last Finisher ihre Ehre erweisen wollten – unter ihnen auch der erste Sieger Denis Chevrot, der dem letzten Sieger die hochverdiente Medaille um den Hals hängte.
Was folgte, waren Freude und reine Emotionen. Das ist, was den Spirit dieser Sportart ausmacht: Jeder Finisher hat seine persönliche Story, jeder ist ein Sieger. Alle verbindet bis zu ihrem Lebensende eine Auszeichnung: Jeder ist ein Eiserner, jeder ist ein Ironman!