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Veröffentlicht am 03.07.2022, 11:52

"Hutfabrikation Kepka und Söhne"

Hutmacherin Karin Krahl-Wichmann erzählt: "Jeder Kunde hat eine Geschichte"

Graz - Seit 19 Jahren führt Karin Krahl-Wichmann die Hutfabrikation Kepka und Söhne in Graz. Sie stellt Hüte nach Maß in Handarbeit her – mit den Maschinen, die schon bei der Gründung im Jahr 1910 verwendet wurden.
von Mirjam Hangler4 Minuten Lesezeit (526 Wörter)

Kordeln in allen erdenklichen Grüntönen quellen aus den Schubladen des alten Holzregals heraus, im Fach darüber lugen Lederbänder hervor, chaotisch sieht es hier auf den ersten Blick aus. Die Hutwerkstatt ist wie ein Wimmelbild, je mehr Zeit man darin verbringt, desto mehr interessante Gegenstände entdeckt man. Und mittendrin ist Karin Krahl-Wichmann, die letzte Hutmacherin von Graz.

Ungeplant Hutmacherin

Seit 2003 ist Karin Krahl-Wichmann die Inhaberin von der 1910 gegründeten Hutfabrikation Kepka und Söhne. Krahl-Wichmann gehört aber schon lange zum Inventar, schon als Kind ist sie zwischen den Maschinen in der Hutwerkstatt ihres Vaters herumgeflitzt. Geplant war es zwar nie, dass sie die Hutmacherei übernimmt, als ihr Vater aber begonnen hat, seine hölzernen Hutformen zu verheizen, konnte sie nicht einfach zuschauen. “Dann habe ich mich entschlossen, die Huterzeugung zu lernen und dann zwei Jahre später von ihm zu übernehmen”, erzählt die 40-Jährige. Sie hat die Modeschule in Graz besucht und das Hutmachen von ihrem Vater, einem Hutmachermeister, gelernt.

Ein Hut für die Beerdigung

Jeder Hut ist individualisiert, weil er auf die Kopfform und -größe des:der Träger:in angepasst werden muss. Gerade weil die Köpfe und die Geschichten der Menschen so unterschiedlich sind, ist es wichtig, den richtigen Hut für die richtige Person zu machen. “Ein Hut muss immer zum Gesicht passen, er ist wie ein Rahmen von einem Bild”, erklärt die Hutmacherin. Und: “Jeder Kunde hat eine Geschichte, warum er jetzt einen Hut braucht.” An eine Kundin erinnert sich Krahl-Wichmann gern zurück: Eine ältere Dame ließ bei Krahl-Wichmann einen Hut für die Beerdigung ihres Mannes fertigen. Der Mann lebte zwar noch, aber er wollte gerne sehen, wie seine Frau an seiner Beerdigung angezogen sein würde.

Die Entstehung eines Huts

Die Herstellung eines Hutes von Krahl-Wichmann kostet bis zu 32 Arbeitsstunden und beginnt mit einem Filzrohling aus Hasen-, Schafs-, oder Biberhaar. Dieser wird über die gewünschte Form gezogen und an diese angeschmiegt. Krahl-Wichmann behandelt den Rohling mit einem Mittel, das ihn fest macht, damit er in der gewünschten Form bleibt und lässt ihn über Nacht trocknen. “Dann ist die Oberfläche sehr rau und steif”, erklärt Krahl-Wichmann. Deshalb wird der Hut aufgebürstet, mit Dampf behandelt und geglättet. Dadurch wird die Oberfläche wieder weich. Danach schneidet die Hutmacherin den Rand ab, damit die Kante schön gleichmäßig ist. Zum Schluss folgen die “kosmetischen” Arbeiten: Das Annähen von Bändern, Kordeln, Federn, Blümchen,…

“Ich liebe, was ich tue

50-100 Hüte fertigt Krahl-Wichmann jede Woche. Wie viel sie arbeitet? “Zuviel”, kommt wie aus der Pistole geschossen. Und gleich danach: “Ich brauche kein Ausgleich zum Hutmachen. Ich liebe, was ich tue und somit macht es mich nicht krank.” Nicht einmal nach der Geburt ihrer Tochter hat Krahl-Wichmann eine Pause eingelegt. Weniger als zwei Wochen nach der Entbindung ist sie schon wieder in der Werkstatt gestanden, neben ihr die Krippe samt Baby. Zu Hause war es ihr zu langweilig. Langweilig wird es in der Hutmacherei hingegen nie, denn jeder Hut erzählt eine besondere Geschichte, die mit Liebe in den Filz eingearbeitet wird.

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