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Veröffentlicht am 08.11.2022, 12:51

Keine Mitarbeiter, nicht genug Platz

Dramatische Situation in Kärntner Pflegeheimen: Offener Brief soll Land wachrütteln

Kärnten - Die aktuelle Situation in den Kärnten Pflegeheimen spitzt sich mehr und mehr zu. Nun richtet sich ein "hohes Tier" in der Pflege mit einem offenen Brief an die Verantwortlichen des Landes. Er will nicht nur auf die Missstände aufmerksam zu machen, sondern die politisch Verantwortlichen zum sofortigen Handeln aufzufordern.
von Carolina Kucher1 Minute Lesezeit (199 Wörter)

“Die Arbeitsbedingungen sind für viele Beschäftigte kaum mehr erträglich. Immer mehr Mitarbeiter verlassen die Pflege. Pflegebedürftige Menschen können nicht mehr aufgenommen und Betten in den Heimen nicht mehr belegt werden. Leichte Pflegefälle in den Kärntner Heimen gibt es nicht mehr. Die Bewohner leiden an Demenz und haben mindestens die Pflegestufe vier”, kritisiert der ÖGB (Österreichischer Gewerkschaftsbund).

Auf Missstände aufmerksam machen

Valid Hanuna, Betriebsratsvorsitzender der AVS und Wirtschaftsbereichsvorsitzender für den Bereich Gesundheit und soziale Dienstleistungen in der Gewerkschaft GPA wendet sich nun mit einem offenen Brief an LH Peter Kaiser und Beate Prettner, um nicht nur auf die Missstände aufmerksam zu machen, sondern die politisch Verantwortlichen zum sofortigen Handeln aufzufordern.

Offener Brief:

Geschätzter Herr Landeshauptmann Kaiser, geschätzte Frau Landeshauptmann-Stellvertreterin Prettner,

Lieber Peter, liebe Beate!

Seit 20 Jahren bin ich als Betriebsratsvorsitzender der AVS mit den Menschen in Pflegeberufen in engster Verbindung. Meine Arbeit erlaubt es mir, genau zu sehen, mit welchen Schwierigkeiten, Problemen und Ängsten die Beschäftigten in der Pflege konfrontiert sind.

Die aktuelle Situation in der Pflege ist dramatisch. Der Personalnotstand kommt nicht von ungefähr, sondern zeigt, dass politische Entscheidungen in der Vergangenheit und in der Gegenwart nicht zu der gewünschten positiven Veränderung der Arbeitsbedingungen geführt haben.

Warnungen der Betroffenen werden nicht ernst genommen. Anstatt zur Verbesserung der Lage beizutragen, werden mit unkoordinierten Prestigeprojekten zusätzliche Ressourcen verbraucht, ohne dass damit ein positiver Effekt erreicht wird. Trotz aller Maßnahmen zur Attraktivierung der Pflegeausbildung können die Ausbildungsplätze nicht belegt werden. Positive Imagekampagnen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Arbeitsbedingungen in der Pflege zum Teil unmenschlich sind. Klienten können nicht mehr aufgenommen und Betten in den Heimen nicht mehr belegt werden. Kurzfristiges Einspringen ist Alltag – Dienstplanstabilität ein Fremdwort. Leichte Pflegefälle in Heimen gibt es nicht mehr. Die Bewohner haben mindestens die Pflegestufe vier. Viele leiden an Demenz und binden dadurch Zeitressourcen, die nicht einmal bei Erfüllung des Pflegeschlüssels vorhanden wären.

Immer mehr MitarbeiterInnen verlassen die Pflege – zum einen, weil sie den hohen Arbeitsdruck nicht mehr standhalten können, zum anderen aber auch, weil sie es selbst zu sehr belastet zu sehen, dass den BewohnerInnen ein Altern in Würde nicht mehr ermöglicht werden kann.

Die unlängst von der Landesregierung beschlossene Änderung des Personalschlüssels von 2,336 auf 2,296 für die Heime stellt für die Beschäftigten keine Entlastung dar. Erst ab einem Personalschlüssel von 1:2 kann von einer nennenswerten Verbesserung im Alltag der Heime gesprochen werden.

Der Personalmangel darf aber nicht als Argument für die zugespitzte Situation im Pflegebereicht herangezogen werden. Mit dem Einsatz von Hilfskräften zusätzlich zum Pflegepersonal kann die Situation mit sofortiger Wirkung entschärft werden. Hilfskräfte können viele nicht-pflegerische Tätigkeiten übernehmen. Damit werden Ressourcen für die Pflegekräfte frei, die zur Entlastung bei der Arbeit und zu einer besseren Qualität der Pflege führen. Mehrmals wurde auf diese Möglichkeit hingewiesen. Warum diese so wirksame Maßnahme von der zuständigen Landesrätin nicht in Betracht gezogen wird, kann ich als Arbeitnehmervertreter nicht nachvollziehen.

Wenn es von Seiten der politischen Entscheidungsträger gewollt ist, dass Menschen im Pflegeberuf gehalten werden, dann muss dafür Sorge getragen werden, dass das Leben für die Bediensteten wieder planbar wird. Um eine Dienstplanstabilität zu erreichen, muss die Grundlage für die Personalberechnung, die Anzahl der genehmigten Betten und nicht die Anzahl der belegten Betten sein. Das wurde bereits vom Verwaltungsgerichtshof festgestellt. Das Urteil wird jedoch von den Verantwortlichen im Land hartnäckig ignoriert.

Das sind die Dinge, die es rasch in Angriff zu nehmen gilt. Mittel- und langfristig gibt es noch viele weitere Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, um die Pflege in Kärnten auf lange Sicht auf sichere Beine zu stellen.

Zusammenfassend muss gesagt werden, dass das Land seiner Aufgabe im Bereich der Altenpflege zurzeit nicht nachkommt. Es ist höchste Zeit, dass der Ernst der Lage seitens der politischen Entscheidungsträger endlich erkannt wird und im Interesse der alten und pflegebedürftigen Menschen, deren Angehörigen und im Interesse der Beschäftigten entsprechend gehandelt wird.

 

Hochachtungsvoll

Valid Hanuna

Wirtschaftsbereichsvorsitzender Gesundheit und Soziale Dienstleistungen

Gewerkschaft GPA Kärnten

“Müssen die größten Engpässe beheben”

Die FPÖ kritisiert, dass sie selbst bereits seit 2019 eine Attraktivierung der Pflegeausbildung fordere. “Der heutige Notruf der Gewerkschaft zeigt, dass zu viel Zeit versäumt wurde”, meint man in einer Aussendung. Das Schönreden der Misere solle jedenfalls “endlich” aufgegeben werden. “Die Pflege in Kärnten ist ein Notfall. Wir müssen uns im Sinne der Pflegebedürftigen darauf konzentrieren, die größten Engpässe zu beheben”, betont man abschließend.

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