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Heldenhaft: Grazer Ärzte retten Baby Erik das Leben

Eine unglaubliche Erfolgsgeschichte wurde am LKH Graz geschrieben. Durch eine so noch nie durchgeführte Operation konnte dem kleinen Erik aus Slowenien das Leben gerettet werden.

von Elisa Auer
Elisa Auer 5 Minuten Redaktion
4 Minuten Lesezeit(996 Wörter)

Vor rund einem Monat hat der kleine Erik mit Mama Nina und Papa Tadej das Uniklinikum Graz Richtung Maribor verlassen. Mit im „Gepäck“ neben der unsagbaren Freude seiner Eltern nur ein Überwachungsmonitor für Puls, Sauerstoffsättigung, Herz- und Atemfrequenz – eine Vorsichtsmaßnahme, die den Kleinen im ersten Lebensjahr im Schlaf überwachen soll. Ansonsten geht es dem Baby ausgezeichnet. Erik isst, trinkt, atmet und lächelt. „Wenn das keine guten Nachrichten sind!“, freut sich auch Holger Till, Vorstand der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie. Er und seine Kollegen berichten von Eriks Geschichte, welcher ohne Behandlung am Uniklinik wohl nicht am Leben wäre.

Schocknachricht für slowenische Familie

Alles begann mit dem ersten Ultraschallbild, das eine Fehlbildung der rechten Lunge des ungeborenen Kindes zeigte. Eine schlimme Nachricht für Eriks Eltern, Nina Mohorko und Tadej Iršič, zumal die Prognose für ihr Ungeborenes äußerst schlecht war. Die Zysten in Eriks Lunge waren so massiv, wie sie Ärzte nur selten zu Gesicht bekommen. Und obwohl man die Eltern auf das Expertisezentrum in Graz aufmerksam machte, hatten die Ärzte in Slowenien keine Zuversicht, dass überhaupt ein Überleben bis zur Geburt möglich wäre.

Innovativer Therapieansatz sollte helfen

Die Eltern begannen auf eigene Faust zu recherchieren und stießen dabei auf Philipp Klaritsch, den Leiter der Fetalmedizin an der Klinischen Abteilung für Geburtshilfe. In der 22. Schwangerschaftswoche kamen sie zum ihm in die Ambulanz für pränatale Diagnostik und Therapie. Klaritsch erinnerte sich heute: „Wir sahen einen bereits massiv betroffenen Fetus, der durch große zystische Lungenveränderungen, genannt CPAM, eine ausgeprägte Verdrängung des Herzens und massive Flüssigkeitsansammlungen in der Bauchhöhle aufwies. Das führt unbehandelt nahezu immer zum Tod des Ungeborenen.“ Eine Entbindung war in der frühen Schwangerschaftswoche keine Option. „Wir haben uns deshalb für einen innovativen Therapieansatz entschieden“, erzählt Klaritsch.

Hoffnung keimte wieder auf

Noch am selben Tag hat er bei Erik unter Ultraschallsicht einen Shunt durch die Brustwand in eine der großen Zysten in der Lunge gelegt. Dadurch konnte die Flüssigkeit aus der Zyste in die Fruchthöhle abfließen und der Druck auf das Herz verringert werden. Der Eingriff funktionierte, Erik überlebte. „Wir waren so unendlich dankbar und glücklich, dass man die Behandlung hier gewagt hat“, sagen Eriks Eltern. „Als ich Dr. Klaritsch zum ersten Mal gesehen habe, wusste ich sofort, dass ich hier an der richtigen Stelle bin“, erinnert sich Eriks Mama an den Augenblick, an dem sie endlich wieder etwas Hoffnung schöpfen durfte.

Mediziner standen vor nahezu auswegloser Situation

Eriks Heldenreise ins Leben hatte sehr viele Hürden. Niemand konnte garantieren, dass sie ein Happy End haben würde, aber man tat alles medizinisch und menschlich Mögliche, damit es gelingen konnte. Nach der lebensrettenden OP vor der Geburt (Shunt) folgte bald die nächste. Um das Kind in den Tagen nach der Geburt zu stabilisieren, hat Holger Till bei Erik eine Thoraxdrainage gelegt und Ernst Eber, den Vorstand der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde, hinzugerufen. Er konnte zwar einen Tubus in die linke Lunge legen, doch diese war so stark von der rechten Lunge zusammengedrückt, dass sie Erik bei der Atmung nicht unterstützen konnte. Das Team der kinderchirurgischen Intensivstation konnte Erik gut stabilisieren, doch kurzfristig standen Erik, seine Eltern und das gesamte Team vor der nächsten nahezu ausweglosen Situation. Till: „Ohne die Drainage war der Kleine nicht lebensfähig, mit Drainage nicht entlassungsfähig.“

Es war Eriks einzige Option

Bei Erik war zunächst unklar, ob nur der Oberlappen oder gleichzeitig auch der Mittellappen von der Fehlbildung betroffen sind und ob die Luftwege nicht noch zusätzlich verengt sind. Dank der kinderradiologischen Diagnostik und einer einmaligen 3-D-Rekonstruktion der Lunge durch Sebastian Tschauner, Leiter der Klinischen Abteilung für Kinderradiologie, konnte eine klare Operationsstrategie für Erik entwickelt werden: Eine Ober- und eine Mittellappenresektion waren notwendig, ein hochdiffiziler Eingriff, insbesondere bei einem Neugeborenen. Eine OP, wie sie in Graz noch nie durchgeführt worden war, war die einzige Option für Erik. „Es hat an unserer Klinik zwar schon eine oder zwei Oberlappenresektionen bei Neugeborenen mit CPAM und lebensbedrohlichen Atemproblemen gegeben, aber noch nie die gleichzeitige Entfernung beider Lappen. Um diesen seltenen und lebensgefährlichen Eingriff besser zu planen und die Risiken zu antizipieren, hat sich das Grazer Ärzteteam bei den besten Thoraxchirurgen der Welt informiert. Das Kind habe keine andere Chance als die Entfernung des Ober- und Mittellappens der Lunge“, waren sich alle Experten einig.

Wir waren so erleichtert

„Wir haben dann den Oberlappen reseziert, den Mittellappen reseziert und den Unterlappen belüftet – Erik hat das auf fast wundersame Weise alles gut überstanden. Es gab überhaupt keine Probleme“, so Till. „Keine Nachblutung, keine Fisteln, keine anderen Komplikationen, gar nichts.“ Noch aus dem OP-Saal heraus hat er die Eltern verständigt. „Wir waren so erleichtert“, sagt Eriks Mama. Auch wenn sie ihr Baby, das nach der OP intensivmedizinisch betreut wurde, nicht gleich in die Arme nehmen konnte, war sie voller Vertrauen: „Ich wusste, dass Erik bei diesem Team bei jeder einzelnen Person in guten Händen ist. Es waren wirklich besondere Menschen, hilfsbereit, mitfühlend, geduldig.“

Heldenhaft: Grazer Ärzte retten Baby Erik das Leben
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Happy End für die Familie aus Slowenien.

Großer Erfolg für das neue Expertisezentrum

Eine medizinische Behandlung, wie sie Erik das Leben gerettet hat, ist nur in spezialisierten Expertisezentren möglich. Die von Holger Till geleitete Klinik ist seit 2023 ein Expertisezentrum (Typ-B-Zentrum) für „Intestinale Kongenitale Anomalien“ (ICA), das erste in Österreich. Hier versammelt sich die Expertise für die Behandlung von Kindern mit angeborenen Störungen der Lunge, des Zwerchfells, der Speiseröhre und des Magen-Darmtrakts. „Gerade bei seltenen Erkrankungen, zu denen viele angeborene Fehlbildungen gehören, ist die Expertise eines Zentrums der Schlüssel zum Erfolg“, sagt Till und ergänzt: „Geschichten wie die von Erik sind keine Heldengeschichten eines einzelnen Arztes. Sein Leben wurde möglich, weil alle Beteiligten schrittweise das Richtige getan haben. Das macht ein Zentrum aus.“

Heldenhaft: Grazer Ärzte retten Baby Erik das Leben
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Heldenhaft: Grazer Ärzte retten Baby Erik das Leben

CPAM und Shunt

Was ist eine CPAM?

Die CPAM (Congenital Pulmonary Airway Malformation) ist eine seltene angeborene Fehlbildung der Lunge, die rund 1 von 3.000 Schwangerschaften betrifft. Im betroffenen Lungenlappen kommt es dabei zu Zystenbildungen anstelle der Ausreifung normalen Atemgewebes. Die Ursache für die Erkrankung ist unbekannt, meist wird sie im pränatalen Ultraschall entdeckt. Am LKH-Univ. Klinikum Graz werden pro Jahr drei bis fünf Kinder mit CPAM behandelt. Derart große zystische Veränderungen wie bei Erik sind aber extrem selten. Die Entfernung der betroffenen Lungenlappen ist die einzige Möglichkeit, die CPAM nachhaltig zu behandeln. In der Regel wird rund um den ersten Geburtstag operiert.

 

Was ist ein Shunt?

Ein Shunt ist eine Kurzschlussverbindung mit Flüssigkeitsübertritt zwischen normalerweise getrennten Gefäßen oder Hohlräumen. Ein solcher kann im Rahmen einer medizinischen Maßnahme künstlich gelegt werden. Bei CPAM kann die Überlebensrate durch eine Shunteinlage auf 60-80 Prozent erhöht werden.

Hinweis: Dieser Beitrag wurde am 25.04.2024 um 07:26 Uhr aktualisiert

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