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Symbolfoto
Eine Bildmontage auf 5min.at zeigt eine Frau, die sich die Hände vors Gesicht geschlagen hat. Sie wirkt verzweifelt. Dahinter sind Geldscheine zu sehen.

336.000 Österreicher konnten sich in 2023 das Leben nicht leisten

Die Zahlen sind schockierend: 336.000 Österreicher konnten sich im vergangenen Jahr Ausgaben des täglichen Lebens nicht leisten. Viele kämpfen an der Armutsgrenze ums Überleben.

von Leonie Höllwarth
4 Minuten Lesezeit(969 Wörter)

Im Jahr 2023 ist der Anteil der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdäten mit einem Anstieg von 0,2 Prozent der Gesamtbevölkerung im Vergleich zum Vorjahr beinahe unverändert geblieben. Die Anzahl der Menschen in absoluter Armutslage ist allerdings gestiegen: 2023 gaben 336 000 Personen in Österreich an, sich die Ausgaben des täglichen Lebens, die nach EU-Definition als Mindestlebensstandard gelten, nicht leisten zu können. Das sind 3,7 Prozent der Bevölkerung in Privathaushalten (2022: 2,3 Prozent), wie die Erhebung von Statistik Austria ergeben hat.

Unter 18-Jährige stärker getroffen als über 65-Jährige

„In Österreich waren im Jahr 2023 3,7 Prozent der Bevölkerung bzw. 336 000 Personen erheblich materiell und sozial benachteiligt. Kinder und Jugendliche waren von absoluten Armutslagen wesentlich häufiger betroffen als Ältere. Bei den unter 18-Jährigen lag der Anteil der erheblich materiell und sozial Benachteiligten bei 5,3 Prozent– bei älteren Personen ab 65 Jahren hingegen bei 1,9 Prozent“ erklärt Statistik Austria-Generaldirektor Tobias Thomas.

Über 100.000 Leute mehr als im Jahr davor

3,7 Prozent der Bevölkerung sind erheblich materiell und sozial benachteiligt. Als erheblich materiell und sozial benachteiligt gilt, wer sich laut eigener Angabe mindestens sieben von 13 EU-definierten Merkmalen und Aktivitäten des täglichen Lebens nicht leisten kann (absolutes Armutsmaß). Diese reichen von unerwarteten Ausgaben in der Höhe von 1.370 Euro über einen Urlaub pro Jahr bis hin zu einer angemessen warmen Wohnung. In Österreich traf das 2023 auf 336 000 Personen (3,7 Prozent der Bevölkerung) zu. Im Jahr davor, 2022, waren 201 000 Personen (2,3 Prozent) von dieser Armutslage betroffen.

Viele sind betroffen

Jüngere, Familien mit einem Elternteil oder mit drei und mehr Kindern besonders oft erheblich materiell und sozial benachteiligt. 88.000 Kinder und Jugendliche waren von absoluten Armutslagen betroffen, das entspricht mehr als einer Verdoppelung ihrer Anzahl gegenüber dem Vorjahr. Mit einer Quote von 5,3 Prozent erfuhren sie auch relativ gesehen deutlich öfter erhebliche materielle und soziale Benachteiligungen als Personen ab 65 Jahren, von denen zwei von 100 Personen in ihrer alltäglichen Lebensführung eingeschränkt waren. Nach der Lebensform betrachtet war das höchste Risiko erheblicher materieller und sozialer Benachteiligung bei Personen in Einelternhaushalten festzustellen: Mit einer Quote von 15,3 Prozent waren sie mehr als viermal häufiger einer Deprivationslage ausgesetzt als die Gesamtbevölkerung. Familien mit mindestens zwei Erwachsenen und drei oder mehr Kindern waren mit 8,5 Prozent eine weitere überproportional betroffene Gruppe.

Armutsgefährdungsschwelle für Einpersonenhaushalte

Die Armutsgefährdungsschwelle für einen Einpersonenhaushalt bei 1.572 Euro pro Monat Neben diesen absoluten Armutslagen dient das Haushaltseinkommen als weitere Maßzahl zur Ermittlung des Lebensstandards: In Österreich verfügten Privathaushalte laut EU-SILC 2023 im Mittel (Median) 45.180 Euro Haushaltseinkommen pro Jahr. Niedriges Haushaltseinkommen unter einer Schwelle von 60 Prozent dieses Medianwertes hatten letztes Jahr etwa 338.000 Personen. Sie galten damit nach EU-Definition als armutsgefährdet. Diese Kennzahl ermöglicht keine Aussagen darüber, inwieweit Haushalte mit ihrem verfügbaren Einkommen auskommen: Je nach tatsächlicher Lebenssituation können Haushalte mit dem gleichen Einkommen einen unterschiedlichen Lebensstandard erzielen, je nachdem, ob sie zur Miete oder in Eigentum wohnen, ob sie Gesundheits- oder Pflegekosten tragen müssen oder nicht usw. Weiters können bei einem Anstieg des Medianeinkommens mehr Haushalte als armutsgefährdet gelten, auch wenn sich die Höhe ihres verfügbaren Einkommens nicht geändert hat.

Haushaltseinkommen ist nicht der einzige Grund

Von jenen 336.000 Personen, für die der europäische Mindestlebensstandard nicht leistbar war, hatten 58 Prozent ein relativ gesehen niedriges Haushaltseinkommen. Sie waren also sowohl erheblich materiell und sozial benachteiligt als auch ihrem Einkommen nach armutsgefährdet. Jedoch gab es auch 142.000 Personen, deren Einkommen zwar über der Armutsgefährdungsschwelle lag, die aber dennoch eine benachteiligte Lebensführung aufwiesen. Und umgekehrt: Von den 1.138.000 Armutsgefährdeten waren 194.000 auch erheblich materiell und sozial depriviert, der Rest (85 Prozent) war nicht depriviert, musste also nicht aus finanziellen Gründen auf mehrere übliche Güter und Aktivitäten verzichten. Geringe Erwerbseinbindung als Risikofaktor für Armut: 5,7 Prozent der unter 65-Jährigen betroffen.

Arbeitslosigkeit trägt bei

Wird das Erwerbspotenzial eines Haushalts nur unzureichend genutzt, gilt dies ebenso als Risikofaktor für soziale Benachteiligung: Das Leben in Haushalten ohne oder mit sehr niedriger Erwerbsintensität (unter 20 Prozent des gesamten jährlichen Erwerbspotenzials) traf 2023 auf 370.000 unter 65-Jährige zu. Dieser Wert ist gegenüber dem Vorjahr nahezu unverändert (2022: 363.000 Personen bzw. 5,7 Prozent). Ist eine Person ganzjährig arbeitslos, dann ist auch das Risiko für ein relativ gesehen geringes Haushaltseinkommen und absolute Armutslagen deutlich erhöht: Mehr als die Hälfte (56 Prozent) derjenigen, die zwölf Monate oder länger arbeitslos waren, war armutsgefährdet, über ein Viertel (28 Prozent) war erheblich materiell und sozial benachteiligt. Die finanziellen Nachteile auf Grund der Arbeitslosigkeit konnten also in vielen Fällen nicht durch die Einkommen anderer Personen im Haushalt ausgeglichen werden.

376.000 Kinder und Jugendliche sind betroffen

17,7 Prozent waren 2023 insgesamt armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Als armuts- oder ausgrenzungsgefährdet gilt, wer entweder erheblich materiell und sozial benachteiligt,
also von absoluter Armut betroffen ist, oder wessen Haushalt weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens zur Verfügung hat oder nur im geringen Ausmaß ins Erwerbsleben eingebunden ist – wer also mindestens einer der zuvor berichteten drei Risikogruppen für soziale Ausgrenzung angehört. Statistik Austria ermittelt zur Messung der im Aktionsplan der EU-Kommission „Europa 2030-Strategie – Europäische Säule sozialer Rechte“ festgelegten Armutsreduktionsziele jährlich diese Kennzahlen. Nach der aktuellsten Befragung zu Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) traf Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung nach EU-Definition im Jahr 2023 auf 1.592.000 Personen (17,7 Prozent der Bevölkerung in Privathaushalten) zu. Darunter waren 376.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Die Unterschiede zum Vorjahr sind zu gering, um sie als statistisch gesicherte Veränderung zu werten. Aufgrund ihrer Definition und dadurch, dass relative und absolute Armutsmaße kombiniert werden, ist aus dieser Kennzahl nicht ersichtlich, wie viele Haushalte mit ihrem verfügbaren Einkommen tatsächlich nicht auskommen. Zudem können bei einem Anstieg des Medianeinkommens mehr Haushalte als armuts- oder ausgrenzungsgefährdet gelten, auch wenn sich ihr verfügbares Einkommen nicht geändert hat.

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