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Der Angeklagte bekannte sich nicht schuldig.

„Beruhigungspillen“ verabreicht: EXW-Vertriebschef auf der Anklagebank

Am Dienstag ist am Landesgericht Klagenfurt im EXW-Krypto-Prozess ein weiterer Angeklagter zum ersten Mal befragt worden.

von APA
4 Minuten Lesezeit(896 Wörter)

Bei dem Angeklagten Nummer zehn handelt es sich um einen 48-Jährigen, der als Vertriebschef für EXW in Deutschland tätig war. Er soll Kunden und Teampartnern symbolische „Beruhigungspillen“ verabreicht haben, indem er negative Medienberichte beschönigte. Der Mann bekannte sich nicht schuldig.

Vom Tupperware-Vertreter zum EXW-Vertriebschef

Der redegewandte Angeklagte versuchte dem Schöffensenat unter Vorsitz von Richterin Claudia Bandion-Ortner zu erklären, dass er von den Betrugsabsichten nichts gewusst habe. „Ich habe Informationen nie von mir aus generiert, sondern nach außen hin kommuniziert, was mir mitgeteilt wurde„, sagte der 48-Jährige. Und: „Meine Fähigkeit ist es, Informationen verständlich weiterzugeben, dazu wurde ich eingestellt.“ Seine Position als EXW-Vertriebschef verglich der Angeklagte mit der Tätigkeit als Tupperware-Vertreter, die er zuvor ausübte: „Die Vertriebsstruktur ist komplett gleich aufgebaut und die Kommunikation erfolgt nach denselben Hierarchien-Informationen werden von ganzen oben nach unten transportiert.“

„Beruhigungspille“ verabreicht

Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwältin Caroline Czedik-Eysenberg warf dem Mann vor: „Sie waren von Anfang an beteiligt, sogar bei der allerersten Gründungsveranstaltung auf Mallorca.“ Der Angeklagte habe von der Mangelhaftigkeit der Projekte gewusst, so der weitere Vorwurf. Als CSO-Coach sei der 48-Jährige weltweit tätig gewesen und habe wesentlich zum Kundenstock von EXW beigetragen. Sein Profit hätte sich auf sechsstellige Summen belaufen. Die Aufgabe des Angeklagten sei es gewesen, negative Medienberichte über EXW den Vertriebspartnern und Kunden gegenüber kleinzureden und ihnen quasi „Beruhigungspillen“ zu verabreichen. „Sie haben die roten Alarmleuchten lange ignoriert, auch nachdem es bereits Auszahlungssperren gab“, betonte die Staatsanwältin.

Anweisungen von oben bekommen

Andreas Pollak, der Verteidiger des ehemaligen Vertriebschefs, versuchte in seinem 15-minütigen Eröffnungsplädoyer die Beschuldigungen gegen seinen Mandanten zu entkräften. Er bezeichnete den 48-Jährigen als Experten im Krypto-Bereich, der ein sympathisches Auftreten hätte. Deshalb sei er dazu geeignet gewesen, „sein Gesicht zur Verfügung zu stellen und als Sprecher nach außen hin“ tätig zu sein. Sämtliche Anschuldigungen würden sich auf Vermutungen beschränken. So hätte der Angeklagte Fragen von Kunden nicht selbst beantwortet, sondern lediglich Informationen von oben transportiert. „Der Kryptobereich ist ein harter Wettbewerb, bei dem man mit Hasskampagnen und negativer PR rechnen muss“, erklärte der Verteidiger. Sein Mandant habe immer wieder Rücksprache gehalten und Erklärungen für Missstände bekommen, weshalb er den negativen Kampagnen nicht glaubte, sondern den EXW-Chefs. „Beruhigungspillen hat er nicht verabreicht, sondern bekommen“, sagte Pollak.

Hunderttausende Euro verdient

„Glauben Sie wirklich, dass es gescheit ist, wenn man bei einem Betrugsverdacht den Betrüger fragt?“, wollte Richterin Bandion-Ortner vom Angeklagten wissen. Dieser antwortete, dass ihm immer glaubhafte Argumente geliefert wurden und er erst nach der gerichtlichen Akteneinsicht endgültig bei EXW ausgestiegen sei. In seiner Vertriebsstruktur habe es in etwa 12.000 Partner gegeben. Als Vice-President habe er insgesamt mehrere 100.000 Euro verdient, wobei er sich den Großteil der Summe nicht auszahlen habe lassen, sondern wieder reinvestiert hätte. EXW würde ihm noch ungefähr eine Million Euro schulden.

„Falsche“ Grafiken seien in der Werbung „normal“

Ein Video, das den 48-Jährigen als Webinar-Sprecher zeigte, wurde in der Verhandlung vorgespielt. Darin erklärte er das Backoffice hinter EWX und präsentierte Details zum geplanten Vertriebssystem. Die Staatsanwältin warf ihm vor, dass die Charts teilweise täuschend für die Kunden gewesen seien. So hätten Diagramme, die den Umsatzverlauf darstellten, im Jahr 2019 einen starken Anstieg dargestellt, der nichts mit dem tatsächlichen Verlauf zu tun gehabt hätte. Für den Angeklagten seien solche Bilder im Bereich der Werbung etwas Normales, erklärte er: „Dieses Bild ist nur die Symbolik dafür, dass wir nicht bei Null starten und dass es nach oben geht.“ Über seine Tätigkeit sagte der 48-Jährige: „Ich habe es gemacht, weil ich daran geglaubt habe.“

„Wo ist jetzt Ihr Grinsen?“

In einem zweiten Video war der ehemalige Vertriebschef auf der Bühne eines großen Events zu sehen, bei dem er für seine Leistungen geehrt wurde. In einer Rede versuchte er die anwesenden Kunden und Geschäftspartner zu begeistern. Darin erklärte er dem Publikum, dass er von Anfang an bei EXW dabei gewesen ist und sagte: „Für mich war eins klar: Das ist meine Chance! Ich habe gespürt, dass hier etwas Gigantisches entstehen kann.“ Die Richterin verglich sein Auftreten auf dem Event mit dem in einem dritten Video, das drei Monate später entstand. Darin versuchte der Angeklagte Scam-Vorwürfe gegen EXW zu entkräften und verwies auf Programmierschwierigkeiten und Hackerangriffe, die dafür verantwortlich seien, dass die Backoffice-Seite mehrere Male ohne Vorankündigung offline war. „Wo ist jetzt Ihr Grinsen?“, wollte die Richterin von dem 48-Jährigen wissen. Seine Antwort: „Das ist in den Strapazen der letzten Monate untergegangen. Aber Sie können das auch nicht vergleichen, das andere war ein Event.“

Schwerer Betrug, Geldwäsche und mehr

Seit September 2023 läuft am Landesgericht Klagenfurt der groß angelegte EXW-Prozess. Den bald elf Angeklagten werden gewerbsmäßig schwerer Betrug, Geldwäsche, Pyramidenspiel und kriminelle Vereinigung vorgeworfen. Sie sollen laut Anklage rund 40.000 Opfer um mindestens 17,6 Mio. Euro betrogen haben, kolportiert wurde ein Gesamtschaden von 100 Mio. Euro. Noch im März soll übrigens der elfte Angeklagte in Klagenfurt vor Gericht stehen: Ein mögliches Mastermind der Gruppe, das demnächst aus Brasilien nach Österreich überstellt werden soll. Mit einem Urteil ist im Frühjahr zu rechnen. (APA, 20.2.2024)

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